Mit aller Macht des Sounds

KÖLN · In der Kölner Lanxess-Arena haben die Söhne Mannheims 12.000 Anhänger für ihr "Wir"-Gefühl begeistert.

Wir müssen unsere Weltsicht überdenken. Die Erde ist keine Scheibe. Die Erde ist auch keine Kugel. Die Erde ist ein Kreuz. Eines, das leuchtet und blitzt und glitzert wie ein Diamant, das auf die Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" hinweist, die in diesem Jahr 50. Geburtstag feiert, lupennahe Bilder von Händen liefert, die Schlagzeug spielen, oder das Roulette in einem Casino zum Blickfang macht. Was hat Jesus Christus mit Glücksspiel zu tun? Beim Konzert der Söhne Mannheims in der Kölner Lanxess-Arena am Montagabend eine ganze Menge. Keine Kirche ist voller, und 12.000 Gläubige sind begeistert.

Natürlich könnte man die riesige, in Kreuzform mit Kassettenprofil angeordnete Projektionsfläche im Bühnenhintergrund auch als einen stilisierten Engel sehen. Als einen Vogel. Oder ein Flugzeug. Aber im Einklang mit solchen Stücken wie "Barrikaden von Eden", "Armageddon" oder "Babylon System" wird ein Credo daraus.

Die christlich bewegte Band, die 1995 in Mannheim gegründet wurde, ist ein Magnet. Trotz oder wegen ihrer Nähe zu Gott. Während andere Gruppen auf Kuschelkurs mit Satan gehen, sich martialisch in Leder und Ketten gewanden oder mehr durch Exzesse als durch Erfolge von sich reden machen, haben die Söhne Mannheims - allen voran die vier Sänger Michael Klimas, Henning Wehland, Timo Oac und Xavier Naidoo, beflankt von den Rappern Marlon B. und Metaphysics - bislang fast 1,7 Millionen Tonträger verkauft.

Mit einer ganz simplen, aber ungemein wirkungsvollen Botschaft, die im Kern lautet: "Wir!". Ein pluralistisch-komplizenhaftes Wörtchen. Leitmotivisch taucht es in fast jedem Song der Band auf und evoziert, dass jeder Gutes tun kann (und es auch tun sollte), dass jeder lieben darf (und es auch tun sollte) und jeder dem hedonistisch-desillusionierten "Rien de va plus", das unsere Erde verloren gibt, ohne den Versuch ihrer Rettung zu unternehmen, die Zustimmung verweigern darf (und es auch tun sollte).

Handwerklich kommt das ungemein mitreißend daher. Die stilistische Bandbreite reicht von Rap über Soul und Gospel bis hin zum souveränen A-capella-Gesang, sie vereinigt krachende Rock-Elemente und sanfte Seufzer-Balladen, sogar eine Tanzeinlage im besten Boygroup-Stil wird geboten. Und die Macht des Sounds steht der Macht der Botschaft in nichts nach: 14 Söhne können zwei Stunden lang schon gut für ein sattes Fundament sorgen.

Das dreiteilige Konzert - auf den Casino-Part in Smokings, weißen Hemden und Fliegen folgt ein Amnesty-International-Set in orangefarbenen Overalls mit Vornamen und Nummern, die an die Häftlinge in Guantanamo erinnern, um dann in einen weniger programmatischen Teil mit legerem Normal-Outfit zu münden - ist ein pralles Erlebnis. Aber am größten für 12.000 Mitbrüder und -schwestern wahrscheinlich dann, wenn um 22.05 Uhr, als erste Zugabe, von schrillen Schreien der Begeisterung begleitet, "Dein Lied" erklingt. Mal ganz ohne "Wir".

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