Bonner Cellistin Emily Wittbrodt in Ramallah Mit Beethoven in Ramallah

Ramallah · Wie kommt man mit der Musik von Bach nach Ramallah? Die Frage hätte auch die junge Bonnerin Emily Wittbrodt bis vor Kurzem nicht einfach beantworten können. Aber dann erhielt die Cellistin das Angebot von Torsten Schreiber, dem Konzertveranstalter vom Bahnhof Rolandseck, ihn nach Israel und das besetzte Westjordanland zu begleiten.

 Die Bonner Cellistin Emily Wittbrodt.

Die Bonner Cellistin Emily Wittbrodt.

Foto: Picasa

Und so sitzt sie nun mit einem anderen jungen Musiker, dem arabischen Israeli Bishara Haroni aus Nazareth, im Auto nach Ramallah, wo Haroni in einer Musikschule jungen Palästinenserinnen Klavierunterricht geben soll.

Ja, es geht um Musik, auch wenn das Politische immer wieder dazwischen gerät. "Um Politik kommt man hier nicht herum, das geht schon mit der Frage los, welchen Checkpoint wir jetzt nehmen", erzählt Emily Wittbrodt, die Musik in Essen studiert. So will sie die erste Reise in die konfliktbeladene Region nutzen, "um das alles besser zu verstehen".

In der Musikschule "Al Kamandjati", einem aus dem Ausland mit Spenden unterstützten Projekt, wartet schon Maha Ajaj. Als die 16-Jährige die ersten Noten eines Bach-Menuetts spielt, dringt der Ruf des Muezzins durch die dicken Mauern des alten Hauses. Es ist überraschend kühl in dem Raum mit dem Klavier, die Nachmittagshitze bleibt draußen.

Bishara Haroni, sonst in den Konzerthäusern der Welt zu Hause, zeigt Maha, wie man Hände und Arme lockert, um leichter mit den Fingern über die Tasten zu fliegen. "Das Tempo ist jetzt besser. Es klingt viel mehr nach einem Tanz", sagt Haroni.

Torsten Schreiber kam vor 20 Jahren erstmals in das Westjordanland, als Klavierlehrer, Chorleiter und Organist für die lutherisch-arabische Kirche. Damals habe die westliche klassische Musik bei den Palästinensern keine Rolle gespielt. Aber das hat sich stark geändert, ausländische Nicht-Regierungsorganisationen und Palästinenser selbst haben dazu beigetragen, dass Mozart, Schumann und Händel heute auch im Westjordanland geschätzt und gespielt werden.

Emily Wittbrodt hat beeindruckt, wie in der Universität von Bethlehem und in der evangelischen Schule Talitha Kumi die jungen Palästinenser dem Spiel von Haroni und ihr sehr aufmerksam zuhörten und interessierte Fragen stellten. Schreiber hat von seiner Arbeit als Konzertveranstalter berichtet - ein Beruf, den man im Westjordanland nicht kennt.

"Anschlussmöglichkeiten" versuche er für die jungen Leute zu schaffen, erklärt Schreiber, der mehrmals im Jahr zu Besuch ist, neugierig machen auf ein Leben da draußen, das die durch Mauer und Checkpoints eingeschränkten Menschen nicht kennen. Und dann ist da noch die arabische Kultur, die Moslems und Christen gleichermaßen Zwänge auferlegt: "Sie können nicht lieben, wen sie wollen." So versucht er ihnen zu vermitteln, dass Musik zumindest gedanklich und emotional frei machen kann.

Es ist daher kein Zufall, dass Schreiber eine Frau, die Musik zu ihrem Beruf machen will, mitgenommen hat, und mit Haroni einen Palästinenser, der als Berufsmusiker in Berlin lebt. Auch er schlägt auf seine Weise Brücken, hat mit dem jüdisch-israelischen Pianisten Yaron Kohlberg das Duo Amal gegründet.

Wittbrodt und Haroni haben den Eindruck, die jungen Palästinenserinnen müssten nach mehrjährigem Klavierunterricht mit ihrem Können eigentlich schon weiter sein. Doch dann überrascht sie Hadeel Abu Ain, die 16-Jährige spielt ein Stück von Chopin.

Als sie schon ihre Notenblätter zusammenpackt, entdeckt Torsten Schreiber darunter die "Sonate Pathétique" von Beethoven und bittet Hadeel, sie kurz anzuspielen. Hadeel ziert sich. Und lässt sich dann doch überreden. Zur Freude der Gäste aus Bonn.

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