Vor seinem Konzert in der Harmonie Mitch Ryder über Karriere, Alkohol und seine Hunde

Bonn · Wir erreichen Mitch Ryder in der Waschküche. Seine Frau Megan ist im Krankenhaus, da muss auch der Rockstar klassische Hausarbeit erledigen. Beide sind knapp dem Tode entkommen, als ein junger betrunkener Lkw-Fahrer frontal in ihren Pkw raste. Mitch Ryder, dessen Autobiografie "Devils & Blue Dresses" 2012 erschien, hat wohl einen Schutzengel an seiner Seite. Am 24. Februar, zwei Tag vor seinem 68. Geburtstag, tritt Mitch Ryder in der Endenicher Harmonie auf. Mit ihm sprach Ronald Krüger.

 Kommt nach Bonn: Mitch Ryder.

Kommt nach Bonn: Mitch Ryder.

Foto: Promo

Das erste Mal traf ich Sie vor acht Jahren in Bielefeld. Dort erwähnten Sie ihr Projekt, eine Autobiografie zu schreiben. Letztes Jahr wurde sie in Amerika veröffentlicht.
MitchRyder: Ja, endlich. Ich bin wirklich froh darüber. Leider haben wir noch niemanden gefunden, der meinen besonderen Schreibstil ins Deutsche übertragen konnte. Die Schönheit des Buches besteht darin, dass die Worte nicht sofort den Sinn des Geschriebenen erschließen.

Alan Bangs, der Sie 1979 für den Rockpalast interviewt hat und mit dem Sie mittlerweile befreundet sind, wäre ein geeigneter Übersetzer.
Ryder: Davon bin ich von ganzem Herzen überzeugt, denn Alan kennt mich und meine Persönlichkeit. Aber im letzten Moment zog er sich von diesem Projekt zurück, weil es für ihn tiefer ging, als er glaubte, gehen zu können.

War das Schreiben eine Möglichkeit zur Selbstreflexion?
Ryder: Nein, ich kenne mich mittlerweile gut genug. Es war nicht einer dieser großen Momente, in denen man das Gefühl hat, jetzt habe ich mich gefunden. Ganz und gar nicht. Ich wollte meine Geschichte schreiben und herausfinden, ob ich schreiben kann. Ich wollte wissen, wie weit meine künstlerischen Fähigkeiten reichen. Als ich meine Karriere begann, ließ man mich nur den Animateur spielen. Ich durfte keine eigenen Stücke schreiben, denn mit den eigenen Leuten konnte die Plattenfirma mehr Geld verdienen. Am Ende brach ich den Vertrag mit meinem Label. Zugegeben, wie ich das gemacht habe, war nicht besonders klug. Ich habe eine Menge kaputt geschlagen und das Ansehen wichtiger Leute im Business angegriffen. Sie hatten es verdient, aber darunter hat meine spätere Karriere schwer gelitten. Als Künstler wurde ich erst in Deutschland akzeptiert.

Was würden sie mit dem Wissen von heute anders gemacht haben?
Ryder: Das ist für mich eine rhetorische Frage. Ich habe getan, was ich tun konnte, mit dem, was ich hatte und wozu ich fähig war. Als Kind aus der Arbeiterklasse hatte ich gelernt zu überleben. Ich wusste nichts über das Leben und das Benehmen in der Oberschicht, zu der ich durch meine Karriere Zugang hatte. Heute kann ich mit den Karten, die mir gegeben wurden, anders spielen. Aber das hatte seinen Preis. Und ich bin älter geworden.

Kommen wir zu Ihrer Karriere in Deutschland, die 1979 mit einem Auftritt im Rockpalast begann. In Amerika galten Sie zu dieser Zeit nichts. Das deutsche Fernsehen war Ihre große Chance. Trotzdem betranken Sie sich vor dem Auftritt bis in die Haarspitzen. Wie ist das zu erklären?
Ryder: Man gab uns zu viel freie Zeit bis zum Auftritt (lacht)! Das deutsche Bier schmeckte einfach fantastisch. Aber wir waren für das Konzert vorbereitet, das hatte nichts mit unserer Nüchternheit zu tun. Das Interview, das ich gab, war dumm, aber unsere Musik hatte Ehrlichkeit und Energie. Sie war unkontrollierter als die von Nils Lofgren und South Side Johnny, die vorher aufgetreten waren. Und wir brachten eine gute Portion Anarchie auf die Bühne.

Wo stehen Sie heute?
Ryder: Ich mache das, was ich will. In Amerika sind nur meine Sachen aus 60er Jahren bekannt. Niemand hat den Funken einer Idee davon, was danach kam. Das bringt Deutschland ins Spiel. Wer mich hier kennt, kennt mich als Musiker und Künstler, nicht als eine populäre Figur. Von hundert Leuten, weiß vielleicht nur einer, wer Mitch Ryder ist. Aber genau den will ich ansprechen.

Geht es Ihnen gut?
Ryder: In diesem Jahr habe ich etwa 32 Shows in Amerika. Das könnte mehr sein. Ich bin zwei Monate in Deutschland auf Tour. Mein Haus ist abbezahlt. Klingt nach einem ehrbaren Mittelschichtleben. (In diesem Moment bellen seine beiden Hunde wie wild, da sie irgendetwas draußen gesehen haben. Mitch beruhigt sie). Ich gebe jeden Monat einige hundert Dollar für ein Sicherheitssystem aus. Das könnte ich mir mit diesen Hunden eigentlich sparen. Bei jeder kleinen Bewegung schlagen sie an.

Zur Person

Der Rockmusiker Mitch Ryder wurde 1945 in Michigan geboren. Einem breiten europäischen Publikum wurde er durch seinen legendären "Full Moon"-Auftritt in der fünften WDR-Rockpalast-Nacht 1979 bekannt, als er sich zuerst mit seiner Band, dann mit dem Moderator anlegte, schließlich aber ein brillantes Konzert hinlegte.

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