Mitten im modernen Märchen

Die ehemalige Bonner Schauspielerin Johanna Wokalek über ihren neuen Film "Barfuss", die Zusammenarbeit mit Til Schweiger und ihren Spagat zwischen Theater und Dreharbeiten

  Auf dem Erfolgsweg:  Johanna Wokalek in "Barfuß".

Auf dem Erfolgsweg: Johanna Wokalek in "Barfuß".

Foto: Buena Vista/Cinetext

Bonn. Dem Publikum in Bonn und der Region ist sie seit ihrem dreijährigen Engagement am Schauspiel Bonn in bester Erinnerung. Johanna Wokalek, seit 2001 Ensemblemitglied am legendären Wiener Burgtheater, ist jetzt in Til Schweigers "Barfuss" im Kino zu sehen. Sie spielt Leila, eine mental verwirrte, gesellschaftlich ausgegrenzte junge Frau, die sich Schritt für Schritt dem Leben und der Liebe nähert. Mit Johanna Wokalek sprach Felix Mauser.

General-Anzeiger: In den letzten Jahren haben Sie sich sehr auf die Theaterarbeit konzentriert und nur sehr wenige Filmangebote angenommen. Worin lagen die Gründe?

Johanna Wokalek: Das hatte natürlich damit zu tun, dass ich am Burgtheater engagiert bin und dort zeitintensiv verpflichtet tolle Rollen zu spielen hatte. Während meiner Bonner Zeit habe ich klassisch begonnen, stand ausschließlich auf der Theaterbühne, in großen wie kleinen Rollen. Mit den Hauptrollen in großen Projekten in Wien war ich sehr ausgelastet.

Wenn man so viel auf der Bühne steht, ist es meist technisch kaum möglich, nebenher noch zu filmen. Es war keine bewusste Entscheidung, die Lust zum Drehen war immer da. In letzter Zeit hat es sich mit "Hierankl" und "Barfuss" so ergeben, dass ich anspruchsvolle und sehr schöne Rollen spielen konnte.

GA: Ist die Phase der Theaterproben für Sie vergleichbar mit dem Erarbeiten einer Filmrolle?

Wokalek: Eher nicht. Bei der "Kirschenkönigin", die im Frühjahr im ZDF zu sehen war, bin ich mit dem Regisseur Rainer Kaufmann zwei Wochen zusammengesessen und habe das gesamte Buch mit ihm durchgesprochen. Wir haben den Charakter der Ruth im Vorfeld sehr genau analysiert. Diese Arbeit hat die Dreharbeiten in Prag enorm erleichtert, da wir unter großem Zeitdruck standen und der Stoff zudem historisch war.

GA: Ein großer Kontrast zu Ihrem neuen Film "Barfuss".

Wokalek: In diesem Fall war die Herangehensweise eine ganz andere. Ich habe versucht, mich wieder in ein Kind zurückzuversetzen. Bei der Vorbereitung ist mir aufgefallen, dass ich Kinder viel mehr beobachtet habe als sonst. Man kann aber nicht von einer dezidierten Vorbereitung wie bei der "Kirschchenkönigin" sprechen, wo ich viel gelesen habe. Es ist einfach eine ganz andere Art von Rolle.

Til Schweiger und ich hatten die gleiche Vorstellung davon, wie Leila sein könnte, das hat sich beim Casting ganz schnell herausgestellt. Dann war es einfach eine schöne Drehzeit zusammen.

GA: Im Film erfährt man wenig von der Ausgangssituation, in der Leilas naives Verhalten begründet ist. Liegt im Unausgesprochenen eine Qualität von "Barfuss"?

Wokalek: Im Film ist die Ausgangssituation nicht wichtig. Leila ist auch nicht krank, nur weil die Geschichte in der psychiatrischen Anstalt beginnt. Es ist wichtig zu zeigen, dass Leila unsere Welt, die für uns völlig normal ist, nie wahrgenommen hat. Sie war nie draußen. Es hat deshalb etwas Märchenhaftes, wie Nick und Leila zusammen finden. Sie beschließt, Nick zu folgen und bei ihm zu bleiben, zusammen diese Reise zu machen. Und sich dabei ineinander zu verlieben. Daraus ergeben sich komische Situationen.

GA: Was macht die Naivität und das gleichzeitige große Vertrauen Nick gegenüber aus?

Wokalek: Diese Eigenschaft hat mich natürlich fasziniert. Nach der Rettung beim Selbstmordversuch auf der Toilette hat sie das Gefühl, ihm jetzt folgen zu müssen. Man kann das nicht rational erklären, realistisch schon gar nicht. Es ist einfach eine märchenhafte, komische Liebesgeschichte. Clowns schauen Kindern die Nummern ab. Mit diesem Aspekt hat die Geschichte zu tun. Es war schön, ein Buch zu haben, das eine ganz andere Welt beschreibt.

GA: "Barfuss" ist keinem Genre zuzuschreiben. Es ist weder klassische Liebesgeschichte noch Komödie noch Drama. Hat das eine Faszination für Sie?

Wokalek: Beim Lesen des Drehbuchs musste ich immer wieder schmunzeln. Die Handlung ist schwebend. Ich finde gutes Kino sollte neben dem Problematischen ja auch immer unterhalten. Es ist doch schön, sich als Zuschauer auf Lachen und Weinen einzustellen, sich auch Sehnsüchte und Träume zu erfüllen. Obwohl beide so unterschiedliche Charaktere sind, verlieben sie sich ineinander.

GA: Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit Til Schweiger, der gleichzeitig eine Hauptrolle spielte und für Drehbuch, Regie und Produktion verantwortlich war?

Wokalek: Zunächst hat die gemeinsame Arbeit wirklich viel Spaß gemacht. Til arbeitet sehr konzentriert und hatte lange vor Drehbeginn die Geschichte detailliert im Kopf. Durch das parallele Spiel und die Regie entstanden teilweise sehr komische Situationen am Set. Wir haben viel diskutiert und ausprobiert. Es tat gut zu spüren, wie ungeheuer viel Til an diesem Projekt lag.

GA: Möchten Sie künftig Theater und Filmarbeit parallel verbinden?

Wokalek: So lange mir das Theater die Zeit lässt, würde ich sehr gerne drehen. Ich lasse die Chancen einfach auf mich zukommen. Im Moment probe ich mit Peter Zadek Strindbergs "Totentanz" in Wien und bin sehr zufrieden. Die Liebe und Leidenschaft, die die Wiener ihrem Theater entgegenbringen, ist wunderbar. Davon kann man andernorts noch lernen. Sogar die Taxifahrer wissen über die vergangenen Premieren Bescheid. Trotzdem denke ich sehr gerne an die Bonner Jahre zurück und halte Kontakt.

Lesen Sie dazu auch die Film-Kritik

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