Neue Staffel von „Mord mit Aussicht“ mit sechs Folgen Hauptsache Hengasch – egal wo

Bonn/Olpe · Eine Kult-Serie kehrt zurück: Nach langer Kreativpause startet die ARD am Dienstag eine neue Staffel der komödiantischen Krimi-Reihe „Mord mit Aussicht“. Katharina Wackernagel spielt die Hauptrolle.

Hengasch im Rheinisch-Bergischen Kreis: Eva Bühnen, Sebastian Schwarz und Katharina Wackernagel ermitteln bei „Mord mit Aussicht“. Das Dorf Olpe bildet dazu die Kulisse.

Hengasch im Rheinisch-Bergischen Kreis: Eva Bühnen, Sebastian Schwarz und Katharina Wackernagel ermitteln bei „Mord mit Aussicht“. Das Dorf Olpe bildet dazu die Kulisse.

Foto: ARD/Ben Knabe/Ben Knabe

Schöne, heile Welt in der Eifel. Der Himmel blau, die Wiese grün, ein Kirchturm glänzt im Sonnenlicht. Ins Geläut mischt sich Stimmengewirr, das aus der Dorfschänke kommt. Dort treffen sich am helllichten Tag friedfertige Menschen, um bei Liebernicher Landbier den Bauantrag für einen Mobilfunkmast durchzuwinken. Endlich Handy-Empfang! Nächster Tagesordnungspunkt: der Landespokal im Bierkisten-Querstapeln. Das stolze Eifeldorf Hengasch hatte den Wettbewerb mit 56 quergestapelten Kisten gewonnen, jetzt fordern die Spielverderber aus Tötenich Revanche. „Der Pott bleibt in Hengasch!“, skandiert der Stammtisch.

Dann, ganz unvermittelt: Eine fremde Frau schiebt ihren Rollkoffer durch die Kneipentür. „Haben wir uns verlaufen?“, fragt Querstapler Heino. Nein, Marie Gabler ist seine neue Chefin. Das hätte Heino, im Hauptberuf Polizeiobermeister, eigentlich wissen müssen: Da war dieses Fax aus Köln, das er nicht gelesen hat. Die heile Welt ist dahin.

Zwischen 2008 und 2014 gab es 39 Folgen

Mit der Folge „Hengasch, Liebernich“ startet die ARD am 8. März nach sieben Jahren Pause eine neue Staffel der Serie „Mord mit Aussicht“. Fans der Serie zeigten sich allerdings eher enttäuscht von der neuen Staffel. Eine Kritik der ersten Ausgabe der neuen Staffel "Mord mit Aussicht" lesen Sie hier.

Um den Neuanfang der Serie ranken sich viele Vorgeschichten. Zwischen 2008 und 2014 wurden 39 Folgen ausgestrahlt. Die schrulligen Episoden über den Polizistenalltag im fiktiven Eifeldorf Hengasch fanden bundesweit Anklang. Mit durchschnittlich 6,52 Millionen Zuschauern war „Mord mit Aussicht“ 2014 die meistgesehene Fernsehserie im Land. 2015 folgte noch ein abendfüllender Spielfilm, dann war Schluss.

Warum? Stochern im Nebel. Man wollte schon, wusste aber nicht wie. „Wir haben Überlegungen angestellt, wie wir die Serie sinnvoll weiterführen könnten – dramaturgisch mit neuem Schub“, sagt WDR-Redakteurin Elke Kimmlinger. Diese Überlegungen hätten „ein bisschen Zeit gekostet“. Auch die drei Hauptdarsteller waren nicht zu halten. Caroline Peters, als Sophie Haas das Gesicht der Serie, folgte dem Ruf des Wiener Burgtheaters, wo sie Ensemblemitglied ist. 2018 spielte sie eine Hauptrolle in Sönke Wortmanns Kinohit „Der Vorname“. Bjaerne Mädel übernahm die Titelrolle in der innovativen TV-Serie „Der Tatortreiniger“. Meike Droste hatte Engagements am Theater und in diversen TV-Reihen.

Die Facebook-Gruppe „Hengasch Forever“ entwickelt ungeahnte Dynamik

Plötzlich war da diese Leere, ein Vakuum. „Mord mit Aussicht“ war nicht mehr am Leben, aber auch noch nicht tot. Denn im Zeitalter der Sozialen Medien tun sich Optionen auf, die den kalten Entzug verhindern. Bereits im Dezember 2012 hatten Fans auf Facebook die Gruppe „Hengasch Forever!“ eingerichtet – mit dem locker formulierten Ziel, Infos über die Serie auszutauschen. Nach dem Serienende 2014 entwickelte sich in der Gruppe eine ungeahnte Dynamik: Man verfolgte die neuen Karriere der alten Protagonisten, verabredete sich virtuell zu den Wiederholungsterminen in den Dritten und zitierte unentwegt Kultsprüche wie „Mann, Mann, Mann“ oder „Muschi macht den besten Gulasch“. Stets in der Hoffnung, dass es doch eine neue Staffel geben könnte. Vor einem Jahr, am 5. März 2021, begrüßte die Gruppe ihr 10  000. Mitglied, inzwischen sind es 11 736 registrierte Fans. „Die Beständigkeit der Gruppe rührt daher, dass die Serie immer noch unterhaltsam ist und einfach Kultstatus hat“, sagt Gruppengründerin Anja Pampuch aus Köln.

Den Serienmachern sind diese Treuebekundungen nicht entgangen. „Selbstverständlich kennen wir die Fanseiten, auf denen das Ur-Format seit Anbeginn enthusiastisch gefeiert wird“, sagt TV-Produzent Tom Klimmer auf GA-Anfrage. Jörg Schönenborn, Programmdirektor beim WDR, konnte das nachhaltig große Interesse an den Quoten bei Wiederholungen und Mediathek-Zugriffen ablesen. „Neues aus Hengasch – das habe auch ich mir seit Jahren gewünscht“, gesteht Schönenborn.

Der vielseitige Wunsch geht nun in Erfüllung, am Dienstag erfolgt der Neustart zur besten Sendezeit gleich mit einer Doppelfolge. Wobei die Anspannung bei Produzenten und Konsumenten gleichermaßen zu spüren ist. Die Sorge der Macher: Werden sich die Fans mit dem neuen Ermittlertrio anfreunden können? Die Sorge der Fans: Sind Peters, Mädel und Droste überhaupt zu ersetzen?

Muschi macht auch weiter ihr Gulasch

Die Facebook-Gemeinde nutzt jeden Strohhalm. Beispiel: Petra Kleinert, die „Muschi“ mit dem Gulasch, spielt weiterhin mit. Am 15. Februar zierte Kleinert den Titel des Apotheken-Magazins, der sofort in der Gruppe geteilt wurde. Kommentar Gisela Schulz aus Bad Harzburg: „Scharf, aber nicht zu scharf“. Der Spruch zählt zum Serienkult.

Der erste Aufschlag mit „Hengasch, Liebernich“ dürfte die Gemüter beruhigen. Denn: Wo Hengasch draufsteht, ist auch Hengasch drin. Heino Fuss (Sebastian Schwarz) blockiert die Dienstwohnung, seine neue Chefin Marie Gabler (Katharina Wackernagel) bezieht das „Chalet Schwanenstein“, einen ranzigen Wohnwagen auf dem abgelegen Campingplatz. Auf der Wache herrscht Chaos. Heino kümmert sich vorzugsweise um neue Bierkästen zum Querstapeln, die Kollegin Jennifer Dinkel (Eva Bühnen) um ihren Hengst Terminator. Dann beobachtet Marie, wie ein Unbekannter nachts eine Leiche ausgräbt. Ihr erster Fall!

Die neue Staffel bewahrt das dramaturgische Erbe der Kult-Serie. Wackernagel, Schwarz und Bühnen treten selbstbewusst und spielfreudig in die großen Fußstapfen ihrer Vorgänger. Die Altvorderen Petra Kleinert und Michael Hanemann schenken sich nichts im Wettstreit „Alphaweibchen gegen Alphamännchen“. Und: Die unverkennbare Musik stammt aus der Feder des Kölners Andreas Schilling, der schon die 39 alten Episoden mit ländlichen Sounds veredelt hat.

Und schön schräg geht es weiter. In der Folge „Kartoffelking“ macht sich ein Großbauer wichtig, in „Brenne Hengasch!“ liegt eine Mumie im Getreidesilo. Zum neuen Produktionsteam gehören Markus Sehr (Regie) und Johannes Rotter (Drehbuch). Ihnen ist es gelungen, eine Veränderung umzusetzen, die kaum auffällt. Man hat für zentrale Außenaufnahmen einen kompakten Ortskern mit Kirche und Gasthof gesucht. Und gefunden: Hengasch liegt jetzt im Rheinisch-Bergischen Kreis. Das Dorf Olpe mit der Kirche St. Margareta ist das neue Gesicht von Hengasch, auch wenn die Szenen an der Wache erneut in Bornheim entstanden sind.

Das Dorf Olpe im Rheinisch-Bergischen Kreis ist das neue Hengasch

Im Sommer 2021 wurde in Olpe viel gedreht, einige Dorfbewohner waren als Komparsen am Set. „Ich spielte in einer Kneipenszene mit“, sagt Uwe Engbertz, der die Internetseite der Dorfvereine betreut und dort gleich einen ironischen Post abgesetzt hat: „Unser Klein-Olpe war dabei (von wegen Eifel)“.

Robert Ohlerth muss damit leben. Er ist Ortsvorsteher im Eifeldorf Kallmuth, wo viele Szenen früherer Folgen gedreht wurden. „Wenn das Filmteam anrückte und eine Schafherde brauchte, haben wir eine organisiert, ganz unbürokratisch“, erinnert er sich. Damals hat man voller Stolz am Ortsausgang ein großes Schild aufgestellt: „Auf Wiedersehen in Hengasch“ mit einem Foto des alten Ermittlertrios. Das Schild steht noch. „Wir werden es auch stehen lassen“, sagt Ohlerth.

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