Vierte Staffel "Mord mit Aussicht" Wenn es den Eifeler beim Zuschauen schmerzt

Hengasch · Mord mit Aussicht, die neue, vierte Staffel: Dürfen die das? Und: Stehen die Eifeler jetzt wieder als die Deppen da? Eine persönliche Abrechnung aus Eifeler Sicht. Scharf, aber nicht zu scharf.

 Neuauflage der ARD-Kultserie "Mord mit Aussicht".

Neuauflage der ARD-Kultserie "Mord mit Aussicht".

Foto: ARD/Ben Knabe/Ben Knabe

„Mord mit Aussicht“: Das war über zwei von drei Staffeln der Originalserie eine Fernseh-Offenbarung. Alles stimmte: Erfinderin Marie Reiners dachte sich lauter irre, aber eben auch irre gute Geschichten aus, voller hinreißender Details, speziellem Humor und flexibel ausgelegter Logik.

Das Ensemble funktionierte, allen voran drei bestens miteinander harmonierende Hauptdarsteller auf der Dorfpolizeistation von „Hengasch“ – Caroline Peters (Sophie Haas bzw. „Chef“), Meike Droste (Bärbel Schmied) und Bjarne Mädel (Dietmar Schäffer). Mit beherztem Komödiantentum stürzten sie sich in ihre Rollen, und wir sahen begeistert zu.

Pardon, schwerwiegender Fehler: vier Hauptdarsteller. Denn für mich war natürlich Petra Kleinert als Dietmars Ehefrau Heike „Muschi“ Schäffer der heimliche Star der Serie. Eine Schauspielerin, die man bis dahin eher aus 08/15-Krimis kannte, ergreift die Chance, die ihr eine Rolle bietet und macht daraus ein darstellerisches Feuerwerk. Ich liebte jeden ihrer Auftritte – ihre Eifersucht gegenüber Dietmars Chefin, ihren Vorwitz, ihre Cleverness, ihr Durchsetzungsvermögen (politisch korrekt: ihre Übergriffigkeit). Und ihr Gulasch („Scharf, aber nicht zu scharf!“).

Muschi war nicht nur ein fantastisch verkörperter Charakter. Sie war, nur knapp überzeichnet, die einzige Figur, die bei mir fast als echte Eifelerein durchging (wobei, Julia Schmitt in ihrer Nebenrolle als Dorfwirtin Lydia Aubach ... lobende Erwähnung! Diese misstrauischen Blicke … schon sehr, sehr gut und eifelecht).

Dabei schließe ich mich auch nicht den Kritikern an, die behaupten, die Serie werfe ein schlechtes Bild auf die Einheimischen, weil die als Deppen dargestellt würden. Nein, dass wir schlecht rüberkämen, das kann man nur denken, wenn man den Unterschied zwischen wahr und erfunden nicht kennt. Kurz: Es ist, Leute, nicht die Realität! Sondern ein Spaß.

Davon abgesehen habe ich lange genug in Städten gelebt und gearbeitet, um zu wissen: Der Deppenfaktor ist überall gleich, auf dem Dorf fallen sie nur etwas mehr auf. Ein paar von denen sind übrigens aus der Stadt zugezogen.

Wenn mich an der Serie überhaupt etwas störte, dann höchstens, dass die Schauspieler zwar Eifeler darstellten (und zwar: wunderbar darstellten), dabei aber alle ein blitzblankes Hochdeutsch sprachen, ohne die geringste rheinische oder moselfränkische Färbung. Und dass von Folge zu Folge mehr Bergisches Land zu sehen war als Eifel. Obwohl das Bergische ja auch schön ist.

Andererseits: Allein Bjarne Mädel Ortsnamen wie „Gerolstein“, „Daun“ oder „Prüm“ aufsagen zu hören (und zwar korrekt: „Prümm“, nicht „Prühm“), war ein Riesenspaß. Wenn er das tat, dachte ganz Deutschland wahrscheinlich: „Prüm? Was ist das denn jetzt?“ Und ich dachte: Hehe, ich weiß es.

Außerdem interessiert mich schon lange nicht mehr ernsthaft, was irgendwer über uns denkt. So schlecht scheint unser Image ja nicht zu sein, wenn man sieht, wie viele Immobilien in den vergangenen Coronajahren an Käufer mit urbaner Herkunft verjubelt wurden. Wahrscheinlich ziehen die meisten nach zwei Jahren wieder fort, weil ihnen hier zu wenig abgeht. Vor allem zu wenige Busse. Obwohl doch Dietmar Schaeffer morgens beim ersten Anruf auf der Wache schon entnervt ruft: Mann, Mann, Mann, hier ist vielleicht wieder was los heute!

Bei der dritten Staffel spürte man dann leider den Verschleiß. Erfinderin Marie Reiners war raus, und dadurch ging auch ein Teil ihres besonderen, treffgenauen, manchmal nur über einen Blick oder eine Geste transportierten Humors verloren (ein Autor der FAZ schrieb einmal sinngemäß, Caroline Peters könne mit ihrem Gesicht die ganze Bibel darstellen, und es stimmt).

Stattdessen setzte die Produktion zu oft auf Knüppelhumor, auf Slapstick, führte zwar einen weiteren tollen Schauspieler (Johann von Bülow) ein, das aber mit einem schwachen, gezwungen wirkenden und mich irgendwie runterziehenden Erzählstrang (der Bürgermeister). Der bisherige Zauber war zwar noch großenteils vorhanden, aber er bekam seltsame Flecken. Und man verknappte Budgets und Drehzeit. Nach dem abschließenden 90-Minüter reichte es den drei Hauptdarstellern. Sie stiegen aus, weil sie die Qualität ihrer Arbeit nicht mehr gewährleistet sahen.

Jetzt hat der WDR, sieben Jahre danach, eine vierte Staffel produzieren lassen. Mit lauter neuen und einigen alten Figuren und Schauspielern. Das Ergebnis ist, nach bisher vier von sechs Folgen (die finale läuft am Dienstag, 12. April), durchaus schmerzhaft. Als kehrte man nach langer Zeit zurück in sein Heimatdorf und stellte fest, dass der herrliche Baum in der Ortsmitte gefällt, der Lieblingsplatz asphaltiert (wahlweise: Kreisverkehr), die alte Schule abgerissen und an deren Stelle eine Spielhalle hingeknallt worden seien. Einiges erkennt man noch wieder. Aber der Blick ist getrübt. Von Wehmut.

Das Original war, wie der Eifeler sagt, für zu lachen. Der Aufguss ist eher für zu verzweifeln. Und leider setzt die neue Staffel das fort, was einen schon an der dritten störte: den Haha-lustig-Humor, erkennbar an der Karnevalsperückenfrisur, gegen die Sebastian Schwarz als Polizeihauptmeister Heino Fuß anspielen muss. Schwer. Bjarne Mädel hatte zwar auch eine schlimme Frisur, aber sie war stimmig-schlimm. Und komisch. Katharina Wackernagel spielt ihren Part als Kommissarin Marie Gabler tapfer durch, als sei noch nicht ganz geklärt, wohin die Reise geht mit der Serie und mit ihrer Figur. Und Eva Bühnen als Kommissaranwärterin Jennifer Dickel muss das Dööfchen machen. Unterm Strich ist das für alle undankbar. Vor allem für mich als Zuschauer.

Petra Kleinert – wieder dabei, als Witwe, nachdem ihr Dietmar bei einer Verkehrskontrolle umkam, naja – hat in einem Interview zur vierten Staffel die Zuschauer dazu aufgefordert, den Neuen eine Chance zu geben. Das habe ich getan. Es war auch ein paar Mal ganz witzig. Aber insgesamt? Da wirft Mord mit Aussicht 4 weniger ein schlechtes Licht auf die Eifel als auf die, die gedacht hatten, das könnte so funktionieren. Und ich sag das im Guten. Vielleicht steigern sie sich ja noch.

Denn immerhin: Das Publikum geht mit, die Quoten sind super. Die neuen Folgen sind es bisher nicht (Bärbel hätte gesagt: „Nee, ne?!?“).

Aber vielleicht liegt es auch einfach daran, dass die ersten so unfassbar gut waren.

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