Nigel Kennedy Morgendliche Erfrischung

Aston Villa, Punk, Vivaldi - das ist der unverkennbare Dreiklang, der vor vielen Jahren von dem Geiger Nigel Kennedy laut vernehmbar angeschlagen wurde.

 Suche nach der Musik zwischen den Zeilen: Der britische Geiger Nigel Kennedy.

Suche nach der Musik zwischen den Zeilen: Der britische Geiger Nigel Kennedy.

Foto: Steve Double

Der erst vor wenigen Tagen 58 Jahre alt gewordene Brite, der 1989 mit Antonio Vivaldis "Vier Jahreszeiten" die erfolgreichste Klassik-Platte aller Zeiten auf den Markt brachte, wird nach wie vor als Paradiesvogel in der Welt der klassischen Musik gehandelt. Er ist ein Künstler, der sich um Konventionen nicht schert, der möglichst jedes Aston-Villa-Spiel in Birmingham besuchen will, wo er mit eigenhändig rasierter Punk-Frisur und Dreitagebart unter den Fußballfans auf der Tribüne sicher weniger exotisch wirkt als auf den Bühnen der großen Konzerthäuser dieser Welt.

Kennedy pflegt sein unangepasstes Image durchaus bewusst. Nicht nur äußerlich, sondern auch musikalisch. Denn seine Konzertprogramme wollen ebenfalls nicht so recht in den klassischen Kanon passen. Wenn man die beiden nächsten Auftritte, die der in London lebende Kennedy in Köln und Bonn absolvieren wird, besucht, erhält man einen guten Eindruck von der stilistischen Spannbreite seines Repertoires. Während er in der Philharmonie am 9. Februar ausschließlich Violinkonzerte und Solowerke von Johann Sebastian Bach auf seiner alten italienischen Violine aus der Werkstatt des Cremoneser Geigenbauers Carlo Bergonzi zu Gehör bringen will, kommt er am 16. Mai mit seiner fünfsaitigen E-Geige und einem Jazzrock-Sextett zum Bonner Jazzfest ins Telekom Forum, um die Fans mit einem neuen Jimi-Hendrix-Programm zu verzücken. "Die Stile sind durchaus ein kleines bisschen unterschiedlich", sagt Kennedy im GA-Gespräch mit einer Spur britischen Understatements in der Stimme.

"Mir bedeutet Bach unglaublich viel", erzählt Kennedy weiter. "Wenn ich morgens mit dem Üben beginne, gehören die ersten ein bis zwei Stunden ausschließlich seinen Werken. Bach ist ein ganz wichtiger Teil meines Lebens - auch in einem ganz pragmatischen Sinne. Für mich ist seine Musik die spirituellste, die jemals geschrieben wurde. Und sie ist sehr gut für meine Hände, für die technischen Aspekte des Geigenspiels. Seine Werke besitzen alles, was ich erwarten kann, um Freude an der Musik zu haben: Melodie, Rhythmus, Harmonie, Kontrapunkt, Struktur - es ist einfach jeder Aspekt auf allerhöchstem Niveau vorhanden."

Kennedy, der seit seinem Studium an der New Yorker Juilliard School regelmäßig Jazz spielt, mag auch bei Bach, Mozart oder Beethoven nicht zu sehr an den Noten kleben. Bei heutigen Interpreten sei das häufig der Fall, meint er. Deshalb schätzt er vor allem die Großen Geiger der Vergangenheit: Fritz Kreisler, Arthur Grumiaux, Isaac Stern ("Sein Geist war präzise wie ein Laser und traf auf direktem Weg das Herz") und - natürlich - Yehudi Menuhin. "Heute verlassen die jungen Geiger perfekt ausgebildet die Musikhochschulen, aber es fehlt oft so etwas wie Menschlichkeit in ihrem Spiel. Es geht doch auch darum, was zwischen den Zeilen steht. Das ist bei Beethoven und Mozart nicht anders als bei Shakespeare. Auch da spielt sich ganz viel zwischen den Zeilen ab." Gelegentlich aber findet Kennedy auch unter seinen Zeitgenossen Musiker, die diese besondere Kunst der Interpretation beherrschen. Den schwedischen Geiger und Barock-Spezialisten Nils-Erik Sparf nennt der britische Musiker anerkennend und den italienischen Geiger und Dirigenten Fabio Biondi.

Nach Köln begleitet ihn die Russische Kammerphilharmonie St. Petersburg, die er über die Maßen schätzt. Nicht nur wegen ihrer Leidenschaft auf der Konzertbühne: "Wir hatten anschließend schon tolle Jam-Sessions im Hotel. Das sind alles ganz fantastische Leute, denen die Musik eine echte Herzensangelegenheit ist."

Für sein Jimi-Hendrix-Programm in Bonn schart Kennedy eine neuformierte Band um sich, mit einem alten Gefährten an einer der Gitarren: Doug Boyle, den man auch von Solo-Projekten des Led-Zeppelin-Musikers Robert Plant kennt. "Ich mag es nicht, wenn Leute die alten Hendrix-Riffs der 60er Jahre einfach nur kopieren. Ich wollte jemanden, der etwas Originelles macht."

Das kann auch der Mann an der zweiten Gitarre, der allerdings noch in die Kategorie Nachwuchs fällt. Er kommt aus Linz in Österreich und heißt Julian Buschberger. "Er ist erst 18 Jahre alt, aber ein echtes Monster", verrät Kennedy. "Er fetzt wie ein James-Brown-Rhythmusgitarrist, kann die Gitarre aber auch wie Carlos Santana oder Jimmy Page spielen. Ein phänomenales Talent mit großem Charisma."

Was denn seine Rolle sei, wenn zwei so herausragende Gitarristen Jimi Hendrix spielen? Kennedy: "Ich muss wohl hinterher aufzuräumen. Nein, im Ernst: Das Gute an der Violine ist, dass sie zu komplex ist, um einfach nur Jimi Hendrix zu zitieren. Ich verstehe die beiden Gitarren als eine Art Grundierung, auf der ich mit meinem Instrument malen kann." Aber Boyle und Buschberger hätten auch ihre eigenen Soli, die sie hinlegen würden "like Motherf***s", ergänz Kennedy lachend. Da spricht dann wieder der Punker.

Kölner Philharmonie, Montag, 9. Februar, 20 Uhr, Russische Kammerphilharmonie St. Petersburg, Nigel Kennedy (Violine und Leitung): Konzerte und Solowerke von Bach.

Telekom Forum, Bonn, Samstag, 16. Mai, Nigel Kennedy plays Jimi Hendrix.

Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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