Stargeiger in Bonn Musikalische Feinkost

Bonn · 2000 Menschen lauschen in der Beethovenhalle dem Geigenspiel David Garretts, der mit einem klassischen Programm gekommen ist.

 Zauber des Geigentons: David Garrett in der Beethovenhalle. FOTO: HORST MÜLLER

Zauber des Geigentons: David Garrett in der Beethovenhalle. FOTO: HORST MÜLLER

Foto: MLH

Die sanfte, wiegende Melodie, mit der die Sonate in A-Dur für Violine und Klavier des belgischen Komponisten César Franck anhebt, wirkt wie ein romantischer Zauber, in ihrem scheinbar naiven Tonfall begegnet sie dem Zuhörenden in der klingenden Gestalt einer geheimnisvollen Schönheit. Diese Musik ist nicht ohne Grund beliebt bei Geigern und Publikum. Doch wenn in der schmucklosen Bonner Beethovenhalle 2000 Menschen eng zusammengerückt auf lehnenlosen Stühlen sich mucksmäuschenstill dieser noblen Kammermusik hingeben, liegt das auch am Klang des Namens ihres Interpreten. Der hieß an diesem Dienstagabend David Garrett. Der vor bald 36 Jahren in Aachen als David Christian Bongartz geborene Musiker, der dann unter dem Mädchennamen seiner amerikanischen Mutter Karriere machte, war zum Finale seiner diesjährigen klassischen Recital-Tour in die Beethovenstadt gekommen.

Francks Musik schmiegt sich dem künstlerischen Temperament des Geigers an. Das klingt vielleicht ein wenig paradox, wenn man bedenkt, dass er mit seinen rocklastigen und dezibelstarken Crossover-Shows die ganz großen Arenen locker füllt. Doch Garrett lenkt den melodischen Fluss dieser kostbar-intimen Musik mit feinnervigem Spiel, phrasiert sehr genau und überlegt, besonders auch im rhapsodisch sich fortspinnenden dritten Satz. Sein Pianist Julien Quentin gestaltet den Klavierpart dazu technisch sicher und musikalisch souverän. Dass ihr Publikum auch einmal zwischen den Sätzen klatscht, stört die beiden Musiker in ihrem Spiel überhaupt nicht.

Im vergangenen Jahr war Garrett mit den drei Violinsonaten von Johannes Brahms unterwegs. Diesmal gibt es neben der Sonate als Hauptwerk lauter kleine musikalische Häppchen, die Garrett viel Raum für nette Plaudereien dazwischen bieten. Dazu nimmt er wie ein Crooner auf einem Hocker Platz. T-Shirt und offene Schuhe lockern die Anzug-Optik auf. So etwas schafft Nähe zum Publikum, das zu einem größeren Teil weiblich ist. Die Stücke, die er an diesem Abend spielt, bezeichnet er als den „Soundtrack meines Lebens“. Diese programmatische musikalische Innenschau ist auch das Ergebnis der Arbeit an seiner Autobiografie, die, wie er seinem Publikum anvertraut, gerade entstehe. Man hört ihm gerne zu, auch wenn er den Geigenbogen gerade nicht über die Saiten streicht. Zu jedem Stück gibt es eine kleine Geschichte. Einmal nur verliert er den Faden: „Dies hätte jetzt die Pointe sein sollen“, sagt er verlegen lachend. Das klingt sympathisch, selbst wenn man weiß, dass er beim Konzert in Hannover Ende vergangener Woche sich an ebenderselben Stelle verhaspelt hat und mit den identischen Worten darauf reagierte. Garrett ist eben auch ein Schauspieler.

Immer wieder erzählt Garrett von den Geige spielenden musikalischen Heroen seiner Jugend. Die Franck-Sonate hatte er einmal mit Isaac Stern gehört: „Während des Konzertes wurde mir klar: Ich will Musiker werden“, sagt er. Auch die Aufnahmen mit Jascha Heifetz haben ihm viele Impulse gegeben, wofür er sich unter anderem im Konzert mit dessen Bearbeitung des Marsches aus Prokofjews „Liebe zu den drei Orangen“ bedankt. Und immer wieder fallen die Namen seiner Lehrer: Zakhar Bron, Ida Haendel, Itzhak Perlman. Eine bessere Ausbildung geht nicht.

Dass Garrett ein echter Virtuose ist, zeigt er an diesem Abend gleich mehrfach. In Vittorio Montis wildem „Csárdás“ etwa oder Henryk Wieniawskis Polonaise D-Dur op. 4. Natürlich spielt er auch Nikolaij Rimskij-Korsakows „Hummelflug“, mit dem er es sogar ins Guinness-Buch der Rekorde schaffte. Zum Schluss geigt er die Hörer mit Antonio Joseph Bazzinis „Tanz der Kobolde“ schwindelig: Der Bogen springt und tanzt über die Saiten, die er in Höchstgeschwindigkeit abgreift, Lagenwechsel und Flageolett-Effekte inklusive.

Doch nicht alles ist auf Show getrimmt. Die Lässigkeit, mit der er etwa Antonin Dvoraks Humoreske in G-Dur gestaltet und phrasiert, hat echte geigerische Klasse: Hier geht es ihm nicht um Geschwindigkeit, sondern um den musikalischen Groove, den es auch in der Klassik gibt. Nach einem Abend voller Preziosen spielten Garrett und Quentin am Ende, nachdem das Publikum sich mit einem Ruck von den Stühlen erhoben hatte, noch eine Zugabe. Wieder ein Arrangement von Jascha Heifetz.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort