Musiksommer im Beethoven-Haus Bonn Künstler aus der Ukraine treffen auf Weltstars der Klassik

Bonn · Das Beethoven-Haus bietet unter dem Motto „Hope for Peace“ nicht nur Künstlern aus der Ukraine Asyl in hauseigenen Wohnungen, sondern holt auch das Festival „Odessa Classics“ nach Bonn. Neben Musikern aus der Ukraine treten auch Pinchas Zukerman und Thomas Hampson auf

Der ukrainische Pianist Alexey Botvinov (links) und Beethoven-Haus-Direktor Malte Boecker in einem Apartment des Beethoven-Hauses für Musiker aus der Ukraine.

Der ukrainische Pianist Alexey Botvinov (links) und Beethoven-Haus-Direktor Malte Boecker in einem Apartment des Beethoven-Hauses für Musiker aus der Ukraine.

Foto: Benjamin Westhoff

Die Zimmer in der Immobilie des Beethoven-Hauses gleich gegenüber dem Geburtshaus des Komponisten sehen naturgemäß noch etwas nüchtern aus. Sie sind frisch renoviert und noch nicht bezogen. Der schlichten Küche, Sofa, Bett und Schränken der Apartments sieht man an, dass sie noch nie benutzt wurden. Früher wurden die Räume fremdvermietet. Jetzt, nach der Renovierung, stellt das Beethoven-Haus sie Musikerinnen und Musikwissenschaftlern aus der Ukra­ine zur Verfügung. „Die Dirigentin Oksana Lyniv hat eine junge Regieassistentin hierher vermittelt“, verrät Beethoven-Haus-Direktor Malte Boecker bei einer kleinen Besichtigung am Montag. Auch mit einem Musikwissenschaftler-Ehepaar aus Odessa sei man im Gespräch.

Alexey Botvinov ist begeistert

Einer der künftigen „Mieter“ ist an diesem Montagmittag schon vor Ort: der ukra­inische Pianist Alexey Botvinov. Er ist von der Aussicht, hier einzuziehen, begeistert. Ihm gefällt die Möglichkeit, im Kammermusiksaal üben zu können und die „großartige Sammlung des Beethoven-Hauses“ in der Nähe zu haben.

Auch wenn der Pianist mit seiner Familie derzeit in der Schweiz in Sicherheit lebt, bedeutet die Bonner Wohnung doch eine Art Asyl für ihn. Nicht in erster Linie für seine Person, aber für ein sehr hochkarätiges Musikfestival aus seiner Heimatstadt. Botvinov ist künstlerischer Leiter der „Odessa Classics“, die wegen des russischen Angriffskriegs nicht stattfinden können. „Konzerte sind nicht erlaubt“, sagt Botvinov. „Das ist wegen der vielen Menschen, die sich da versammeln, zu gefährlich.“ Nun wird er es etwas modifiziert im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses ausrichten. Mit Musikerinnen und Musikern aus der Ukranine, aber auch Stars der internationalen Klassik-Szene wie dem Bariton Thomas Hampson und dem Geiger und Bratschisten Pinchas Zukerman, die er beide schon für Odessa verpflichtet hatte.

Eröffnungskonzert am 5. Juli

Zukerman wird ebenso wie Botvinov selbst gleich beim Eröffnungskonzert des Festivals am 5. Juli dabei sein, das ursprünglich im berühmten Opernhaus von Odessa geplant war. Außerdem wirken an diesem ersten Abend der Geiger Michael Barenboim, die Cellistin Amanda Forsyth und der Geiger und Präsident des Vereins Beethoven-Haus, Daniel Hope, mit. Die Konzertreihe ist Bestandteil des Nothilfeprogramms „Hope for Peace“, das im März vom Beethoven-Haus zugunsten ukrainischer Musikwissenschaflerinnen und Musikern ins Leben gerufen wurde.

Bis zum 23. August spielen sie jeweils dienstags um 19 Uhr weitere Konzerte im Kammermusiksaal, die nicht zuletzt auch den Reichtum ukrainischer Musikkultur zeigen sollen. Der Name des 84-jährigen Komponisten Valentin Silvestrov, der im März mit Tochter, Enkel und einem Koffer voller Noten aus Kiew nach Berlin geflohen war, spielt eine große Rolle. Aber das Festival erinnert auch an den hierzulande wenig bekannten Komponisten Wiktor Kossenko (1896-1938). Seine Musik wird am 2. August von den Pianisten-Brüdern Oleksandr (elf Jahre) und Roman Fediurko (16 Jahre) gespielt, von deren enormem Talent Botvinov schwärmt: Beide hätten die Reife, „auf den größten Bühnen der Welt zu spielen“.

Hommage an Ludwig van Beethoven

Auch Musik des russischen Komponisten Sergej Rachmaninow wird an diesem Abend wie auch zuvor schon am 12. Juli bei einem Trio-Abend erklingen. Berührungsängste hat Botvinov, der 1983 mit 19 Jahren als jüngster Teilnehmer den Allunions-Rachmaninow-Wettbewerb in Moskau gewann, nicht: „Ein Leben ohne Tschaikowski und Rachmaninow kann ich mir nicht vorstellen.“

Der Abend mit Botvinov und dem großen Bariton Thomas Hampson am 9. August wird hingegen eine Hommage an den Gastgeber: Auf dem Programm steht unter anderem Ludwig van Beethovens Liederzyklus „An die ferne Geliebte“. Und zum Abschluss des Festivals spielt Botvinov dann ein Werk, das er liebt wie kein anderes: die „Goldberg-Variationen“ von Johann Sebastian Bach.

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