Ausstellung "Jüdische Familien in Alfter" Nach der Ehrung kam der Hass

ALFTER · "Das Gespräch suchen, solange es noch möglich ist" - unter diesem Motto machte sich die Klasse 7 b der Alfterer Hauptschule im Jahr 1981 auf die Suche nach Zeitzeugen, die sich an Schicksale jüdischer Familien in Alfter erinnern konnten. Die Idee, Vergangenes nicht nur aus Büchern zu erfahren, sondern Geschichte selbst aufzuarbeiten, hatte ihre Lehrerin Roswitha Weber. Sie betreute das Klassenprojekt über viele Monate hinweg.

 "Dies Zeichen durft' ich tragen...": Fördervereins-Vorsitzender Werner Jaroch zeigt die Ehren-Urkunde für den Alfterer Juden Moritz Sander. Das Dokument war Anlass für die Ausstellung.

"Dies Zeichen durft' ich tragen...": Fördervereins-Vorsitzender Werner Jaroch zeigt die Ehren-Urkunde für den Alfterer Juden Moritz Sander. Das Dokument war Anlass für die Ausstellung.

Foto: ROLAND KOHLS

Dass ihre Recherchen einmal die grundlegende Informationsquelle für die Ausstellung "Jüdische Familien in Alfter" werden würden, die am Sonntag im "Haus der Alfterer Geschichte" eröffnet wurde, konnten die damaligen Teenager natürlich nicht ahnen. "Aber es ist ein tolles Gefühl, dass das, was man damals gemacht hat, heute noch von Bedeutung ist", zeigte sich Berti Palm, seinerzeit Schüler der 7 b, stolz auf die Leistungen seiner Klasse. Mit großem Interesse betrachtete er die Ausstellung, "weil man viele Dinge heute vielleicht mit anderen Augen und mit einem anderen Hintergrundwissen sehen und verstehen kann". Auch freute er sich auf das Wiedersehen mit seiner ehemaligen Lehrerin, die ihr Kommen angekündigt hatte.

Anlass für den Verein, dem Schicksal der jüdischen Familien in Alfter nachzugehen, war die Übergabe eines Bildes aus dem Nachlass des Heimatforschers Willi Patt an das "Haus der Alfterer Geschichte". Das Bild zeigt ein Porträt des Alfterer Juden Moritz Sander in Uniform. Es ist mit dem Satz "Stolz kann ich sagen, dies Zeichen durft' ich tragen" beschriftet, mit Orden und Ehrenzeichen bestückt und erinnert an seine Dienstzeit von 1910 bis 1912 im 4. Lehrbataillon der Schießschule Jüterbog. Keine 25 Jahre später musste die Familie Sander, die eine Metzgerei führte, ihren Betrieb aufgeben, weil auch in Alfter jüdische Geschäfte boykottiert wurden. "Dieses Bild zeigt, wie schnell sich Denkweisen ändern können", erklärte Werner Jaroch, Vorsitzender des Fördervereins, die Wahl des Bildes als "Aufhänger" der Ausstellung: "Ehre und Auszeichnung schlagen nur wenige Jahre später in Hass und Verfolgung um."

Mit viel Bedacht wurden die Ausstellungsinhalte ausgewählt. Neben den gründlich überarbeiteten und ergänzten Rechercheergebnissen der Hauptschüler lockert ein kleines Wohnzimmer, eingerichtet mit Tisch, Stühlen, einem Harmonium und einem Nähkästchen, die Ausstellung auf. Auch die Aktion Stolpersteine 2008 in Alfter wird mit einer Ausführlichen Dokumentation noch einmal ins Bewusstsein gerufen. An einer weiteren Stellwand kann man sich über den jüdischen Friedhof am Friedensweg informieren. Außerdem führten Mitglieder des Fördervereins noch einmal Gespräche mit verbliebenen Zeitzeugen. Die Interviews sind auf Audiodateien festgehalten und können von Besuchern der Ausstellung angehört werden. "Die Originallänge der Interviews belief sich auf etwa vier Stunden. Damit haben wir einen neuen, reichen Fundus an Material, das wir vielleicht einmal in einem anderen Kontext verwenden können", freute sich Robin Huth vom Förderverein. Spontan war eine Alfterin nach dem sonntäglichen Kirchgang in die Ausstellung gekommen: "Meine Mutter, 1899 geboren, hat in der Metzgerei Sander gearbeitet", berichtete sie. "Es ist sehr interessant, hier etwas über das Schicksal der Familie zu erfahren."

Die Ausstellung im "Haus der Alfterer Geschichte" (hinter der Pfarrkirche Sankt Matthäus) kann bis Juli dienstags und donnerstags von 19 und 20 Uhr besucht werden.

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