Junge Theatermacherinnen bei „West Off“ in Bonn „Nachttarif“ im Theater im Ballsaal
Bonn · Bühne frei für die nächste Generation: Das Theaterfestival präsentiert in Bonn, Köln und Düsseldorf drei neue Stücke junger Autorinnen. Start in Bonn ist am 29. November.
Alltäglicher könnte eine Ausgangssituation für ein Theaterstück kaum sein: Drei einander fremde Menschen begegnen sich an einer Bushaltestelle. Der Tanz- und Performancekünstlerin Mira Rosa Plikat reicht das jedoch vollkommen aus, um daraus eine etwa einstündige Tanzperformance zu entwickeln. Dass sie schon nach kurzer Zeit ein wenig ins Surreale hinübergleitet, erhöht ihren Reiz. Als Zuschauer ist man sich da gar nicht mehr so sicher, ob die Vorgänge auf der Bühne wirklich sind oder sich nur in den Köpfen der Darsteller abspielen. Mit „Nachttarif“, so der Titel des Stücks, startet am Dienstag, 29. November, im Endenicher Theater im Ballsaal die Bonner Station des Theaterfestivals „West Off“, die das Theaternetzwerk Rheinland dank öffentlicher Förderung von Land und Stadt nun schon zum 13. Mal ausrichtet. Zu diesem Netzwerk hatten sich 2010 drei freie Bühnen zusammengeschlossen, neben dem Ballsaal sind das noch die Studiobühne Köln und das Forum Freies Theater (FFT) Düsseldorf.
Ein Festival für den Nachwuchs
„Es ist ja das Anliegen von ‚West Off‘, den Nachwuchs zu unterstützen und ihm bei den ersten Gehversuchen unter die Arme zu greifen“, berichtet West-Off-Kuratorin und Dramaturgin Svenja Pauka vom Theater im Ballsaal. Über das Kölner Ensemble Mira Rosa Plikat & Collaborators sagt sie: „Sie sind jung und sehen auch bisschen hip aus.“ Weshalb das Stück auch sehr gut bei jungen Leuten ankommen werde. Und gerade jungen Zuschauern sei die Situation vertraut: „Sie wissen, das Warten an einer Bushaltestelle für unangenehme wie schöne Situationen hervorbringen kann.“
In diesem Jahr ein Frauenfestival
In diesem Jahr gibt sich „West Off“ als reines Frauenfestival. Zumindest im Blick auf Autorinnen und Regisseurinnen. „Das machen wir nicht absichtlich“, beeilt sich Pauka zu sagen. „Das passiert einfach so. Uns interessiert lediglich: Welches Konzept oder welches Thema können überzeugen.“ Und da hatten die Frauen eben die Nase vorn. Die Auswahl zeigt durchaus eine gewisse Lust am Theaterexperiment. Während Mira Rosa Plikat in „Nachttarif“ mit choreografischen Elementen arbeitet, schlägt die Autorin, Musikerin und Performerin Steffi Günther in ihrem Stück „Am Sonntag essen wir friedensmäßigen Streuselkuchen“ einen ganz anderen Weg ein. Bei dieser vom Theater im Ballsaal koproduzierten Arbeit handelt es sich um ein „Live-Hörstück“, einen Hybrid aus Hörspiel und Bühnenstück. Darin setzt sich Steffi Günther mit Briefen ihrer Großmutter aus den Jahren 1946/47 auseinander. In der Collage aus O-Tönen und dem freien Spiel der Gedanken tritt die in Bochum studierende Autorin in einen Dialog mit dem 24-jährigen Ich der Großmutter. Zur Sprache kommen da auch aktuelle Themen, die der jungen Generation gerade auf den Nägeln brennen. „Sie versucht, eine Verbindung zu ihrer Großmutter aufzubauen, an die sie sich nur sehr schemenhaft erinnern kann und die sie eigentlich nur aus Erzählungen kennt“, sagt Pauka. In Bonn ist das Stück mit zwei Aufführungen am 1. und 2. Dezember präsent.
Der dritte Beitrag trägt den hübschen Titel „schrödingers cats“ und weist wieder in eine andere Richtung. Ballsaal-Dramaturgin Claudia Grönemeyer beschreibt das Stück von Sailor Tune als Klangperformance. In der Aufführung geht es nicht nur um das berühmte Gedankenexperiment von Erwin Schrödinger, sondern auch um die beteiligten Tiere. Zu sehen ist es im Ballsaal am 3. Dezember, 20 Uhr. Begleitet werden die Produktionen in der Vorbereitungsphase jeweils von erfahrenen Mentoren und Mentorinnen.