Neue Choreografien bei TanzNRW in der Brotfabrik

Den Wind selbst kann man nicht sehen, nur seine Wirkungen. Hemden und Haare, die im Luftzug flattern, zum Beispiel. Eine leichte Brise scheint die Körper der vier Tänzer und einer Tänzerin zu umschmeicheln.

Neue Choreografien bei TanzNRW in der Brotfabrik
Foto: Tanz NRW

"Mapping the wind". Den Wind selbst kann man nicht sehen, nur seine Wirkungen. Hemden und Haare, die im Luftzug flattern, zum Beispiel. Die in Zypern aufgewachsene Düsseldorfer Choreografin Alexandra Waierstall (* 1979) hat für die neue Produktion "Mapping the Wind" ihrer Compagnie "Noema Dance Works", die jetzt in der Brotfabrik im Rahmen der Tanz-Biennale NRW zu sehen war, eine ganze Batterie von Ventilatoren vor die leere Bühne gestellt, die die Luft dort in Bewegung setzen.

Eine leichte Brise scheint die Körper der vier Tänzer und einer Tänzerin zu umschmeicheln, die fast meditativ mit ruhig schwebenden Bewegungen dem Sog der Luft folgen, sie atmend in sich aufnehmen und sie je einzeln in den Griff zu bekommen versuchen. Fühlen kann man den Wind durchaus, dessen Vermessung Waierstall hier untersucht.

Windkarten sind Ausgangsmaterial ihrer Überlegungen. Sie liefern Orientierungen wie die Koordinaten der Längen- und Breitengrade, die sinnlich nicht wahrnehmbar sind, aber die Ortsbestimmung im Raum ermöglichen. Wind schafft freilich auch neue Topographien, ist Transformation und Energie.

Als Sturm kann man ihn hören, Knack- und Berstgeräusche erfüllen die Luft, wenn die Tänzer sich gegen imaginäre Böen stemmen. Am Ende drehen die Tänzer die Ventilatoren zum Zuschauerraum und lassen das Publikum frösteln, dessen Applaus danach fast Sturmstärke erreicht.

"Jess and Angus." Sie zählen sich gegenseitig ihre Unfälle und Krankenhausaufenthalte auf. Mit der witzigen Performance "Jess meets Angus" gastierte die renommierte Kölner Compagnie "Silke Z./resistdance" im Rahmen des Festivals Tanz NRW in der Brotfabrik. Die Produktion ist der zweite Teil des Generationenprojekts "Unter Uns!", das Männer in verschiedenen Lebensaltern mit ihren Fragen an ihre künstlerische Existenz präsentiert.Der Amerikaner Jess Curtis und der Schotte Angus Balbernie, beide international erfahrene und mehrfach ausgezeichnete Tänzer und Choreografen, gehören zur Generation der über Fünfzigjährigen. Ihre Körper zeigen Verschleißspuren, denen die beiden mit heiterer Selbstironie und vitaler Neugier begegnen. Der drahtige, grauhaarige Jess trainiert energisch, grimassiert, fordert lauthals animalische Power und Bühnen-Adrenalin.

Seinem triumphierenden "We still got it" begegnet der nicht mehr gertenschlanke, glatzköpfige Angus mit einem lässigen Grinsen: Wozu sich noch abstrampeln? Sehr behutsam stützen und tragen sich die beiden in ihren langsamen tänzerischen Duetten. Jess tobt einsam seinen San-Francisco-Hippie-Blues zur Rap-Poesie des 21. Jahrhunderts aus; und Angus robbt sich auf dem Boden liegend durch eine schweißtreibende Heavy-Metal-Nummer.

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