Wallraf-Richartz-Museum Köln Neuer Direktor: "Es gibt keinen Aktionismus"

Marcus Dekiert (43) hat am 1. März als Direktor am Wallraf-Richartz-Museum in Köln begonnen. Mit Hartmut Wilmes sprach er über neue Akzente und langfristige Ziele.

 Am neuen Arbeitsplatz: Marcus Dekiert im Wallraf-Richartz-Museum.

Am neuen Arbeitsplatz: Marcus Dekiert im Wallraf-Richartz-Museum.

Foto: Thomas Brill

Was war Ihre erste Amtshandlung?
Marcus Dekiert: Es ging im Wortsinn darum, das Haus zu erwandern und die Kollegen kennenzulernen. Auch das Haus, das ich bisher nur aus der Perspektive des Besuchers erlebt habe.

Unter Ihrem Vorgänger war das Museum sehr offen, hat etwa sein Depot ausgestellt und sehr populäre Ausstellungen gemacht, die einigen auch populistisch erschienen. Wird das Haus unter Ihrer Führung strenger, elitärer?
Dekiert: Nein, an der Arbeit von Andreas Blühm, die ich im Ganzen durchaus schätze, fand ich es immer besonders gut, dass es gelang, möglichst viele Türen aufzumachen. Trotzdem ist es ein Grat, und man muss fragen, wo man einen Schritt zu weit geht, wenn man eine Altmeistersammlung dieses Zuschnitts in seiner Verantwortung hat. Hätte ich da schon mitentscheiden müssen, hätte ich manches allerdings anders gemacht.

Was Sie nun ja können...
Dekiert: Wobei es keinen Aktionismus geben wird, dass man jetzt die Bilder von links nach rechts hängt oder die Wandfarbe ändert. So etwas hat keine Nachhaltigkeit.

Wann gibt es Änderungen?
Dekiert: Es wird ja in näherer Zukunft einen Anbau geben, bei dem ohnehin eine Umordnung auf das Museum zukommt.

Stichtag soll der 90. Geburtstag von Gérard Corboud sein, der 18. Mai 2015. Wie ist Ihre Hoffnung?
Dekiert: Meine Hoffnung, nein, mein festes Vorhaben ist es, möglichst rasch eine Unumkehrbarkeit des Projekts zu erreichen. Es gibt ja Ratsbeschlüsse und die Zusage des Stifterrats zur Finanzierung des Architektenwettbewerbs...

...der noch nicht begonnen hat.
Dekiert: Weil das Ganze für eine Mischnutzung konzipiert wird. Aber im Mai 2015 muss es ein Zeichen geben, mindestens den Grundstein in der Erde, möglichst den aufstrebenden Bau. Nach meiner Erfahrung ist das Zeitfenster von gut zwei Jahren bis zur Fertigstellung inzwischen jedoch zu eng geworden.

Was gefällt Ihnen aktuell im Haus nicht?
Dekiert: Es gibt probate Mittel, Sonderausstellungen zu inszenieren und Aha-Effekte auszulösen. Ich empfinde manches in unserer ständigen Sammlung eher als einen solchen kurzfristigen Effekt. Diese Kirchenbänke im Mittelalter gehören etwa nicht zu meinen Favoriten. Meiner Ansicht nach muss das Werk im Mittelpunkt stehen.

Gibt es Ausstellungsideen?
Dekiert: Die hat ein Museumsmann immer, also auch meine Kollegen hier. Ich möchte gerade für die Leuchtturmprojekte, die langen Vorlauf brauchen, schnell zu verbindlichen Planungen kommen.

Sie haben schon angekündigt, die Alten Meister wieder stärker ins Rampenlicht zu stellen. Sie wollen also gegensteuern?
Dekiert: Sagen wir: ergänzen. In den Ausstellungen soll sich die Sammlung widerspiegeln. Deshalb haben natürlich Ausstellungen zum 19. und 20. Jahrhundert ihren Sinn, weil diese Kunst gerade nach der Zustiftung durch Herrn Corboud eine tragende Säule ist. Aber das gilt für das Mittelalter ebenso, dem wir dieses Jahr eine große Ausstellung widmen. Und für das Barock, das in den Jahren unter Ekkehard Mai wunderbar hervorgetreten ist. Das sollte man wiederbeleben gegenüber den Abteilungen, die in letzter Zeit vielleicht etwas zu stark im Vordergrund standen.

Im letzten Jahr hatte das Haus stolze 245.000 Besucher, nicht zuletzt dank "1912 - Mission Moderne". Sie müssen einen deutlichen Rückgang fürchten, oder?
Dekiert: Ich glaube, allen Beteiligten ist klar, dass dieses Projekt "1912" exzeptionell war. Selbst ein Stefan Lochner hat es schwer, wenn es gegen Van Gogh und Cézanne geht. Aber Besucherzahlen sind bei aller Wichtigkeit auch nicht alles.

Wo sehen Sie das jährliche Besucherpotenzial des Museums?
Dekiert: Es ist schwer, eine solche Marke zu setzen, aber ich glaube, 150.000 Besucher inklusive Sonderausstellungen wären ein solides Ergebnis.

Zur Person:
Marcus Dekiert wurde am 2. Januar 1970 in Bergisch Gladbach geboren. Nach Abitur in Köln studierte er in Würzburg und Bonn, wo er auch promovierte. Über die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe kam er 2003 als verantwortlicher Referent und Oberkonservator zu den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen/Alte Pinakothek München.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort