Umjubelte Bonner Opernpremiere Strauß’ „Fledermaus“ begeistert das Publikum

Bonn · Selbst ein Fehlalarm des Feuermelders kann den Schwung nicht stoppen: Regisseur Aron Stiehl gelingt eine extrem unterhaltsame Operetteninszenierung, die auch musikalisch mitreißt

 Wie im Puppenhaus: Marie Heeschen (Adele), Giorgos Kanaris (Falke), Johannes Mertes (Eisenstein), Anna Princeva (Rosalinde).

Wie im Puppenhaus: Marie Heeschen (Adele), Giorgos Kanaris (Falke), Johannes Mertes (Eisenstein), Anna Princeva (Rosalinde).

Foto: Thilo Beu

Die Ouvertüre ist für die neue Bonner „Fledermaus“ so etwas wie ein auskomponierter Startschuss: Das mit dem Temperament eines Lipizzaners aufspielende Beethoven Orchester ließ unter der Leitung von Daniel Johannes Mayr die Musik von Johann Strauß (Sohn) von der ersten Sekunde an funkeln und sprühen, während unter dem nur leicht gelupften roten Vorhang Frauen- und Männerbeine tanzten. Dieser Schwung ließ sich nicht mehr aufhalten, nicht einmal von einem Fehlalarm, der, bis die Feuerwehr zur Stelle war, nicht nur das Tête-à-tête zwischen der liebeshungrigen Ehefrau des Herrn Eisenstein, Rosalinde, und ihrer Jugendliebe Alfred verlängerte, sondern auch dem Gefängniswärter Frosch einen ungeplanten Auftritt bescherte. „Ich habe die Ehre, mein Debüt an der Oper Bonn im Duett mit einem Feuermelder zu geben“, scherzte der Wiener Frosch-Darsteller Christoph Wagner-Trenkwitz in authentischem Tonfall und rettete die langen alarm-begleiteten Minuten aus dem Stegreif mit ganz viel Witz und Charme.

Die eigentliche Handlung entwickelt sich in Strauß’ unsterblicher Operette aus einer pikanten Vorgeschichte: Nach einem feuchtfröhlichen Maskenball lässt Gabriel von Eisenstein seinen als Fledermaus verkleideten Freund Dr. Falke unter einem Baum zurück, was ihm die peinlichste Morgenstunde seines Lebens beschert. Von der Rache des Dr. Falke handelt dann die Operette. Regisseur Aron Stiehl setzt sie mit viel Fantasie, großer Liebe zum Detail und einem perfekten Gespür fürs Timing um. Das Ausstatterduo Timo Dentler und Okarina Peter hat ihm und dem Ensemble dafür eine perfekte Spielwiese geschaffen. Eisensteins Villa besteht aus sechs Zimmern, die wie Waben neben- und übereinandergeschachtelt sind. In dieser Enge lässt sich höchst virtuoses Komödiantentum entfalten. Dass Rosalinde ihren Liebhaber Alfred im Kühlschrank, der eigentlich ausschließlich für Champagner reserviert ist, vor den Augen ihres Mannes versteckt, ist dabei nur einer von vielen liebenswerten Gags.

Großartiges Ensemble

Anna Princeva erweist sich in der Rolle der Rosalinde als Erzkomödiantin, deren leuchtende Sopranstimme den Charme der Wiener Operette ganz zauberhaft herüberbringt. Ihre Kammerzofe Adele findet in der Sopranistin Marie Heeschen eine ideale Besetzung. Auch sie sprüht vor hinreißendem Spielwitz und gewinnt auch als Sängerin mühelos die Herzen des Publikums. Johannes Mertes singt die Tenorpartie des Eisenstein ganz wunderbar und stellt den zweifelhaften Charakter seiner Figur herrlich durchtrieben heraus. Den Gefängnisdirektor Frank gibt Martin Tzonev bassprofundes Format, und den Dr. Falke singt Giorgos Kanaris – wieder im Fledermauskostüm – perfekt. Auch wenn im Stück viel über Alfreds Singerei gelästert wird: Sein Darsteller Kai Kluge hat eine Tenorstimme zum Dahinschmelzen. Selbst die kleinere Rolle des Dr. Blind ist mit Kieran Carrel auf Augenhöhe mit dem Ensemble besetzt.

Mit solchen Darstellern kann Regisseur Stiehl jonglieren wie ein Zirkusartist. Im zweiten Akt, nach dem Feueralarm, können einem die Augen übergehen: Da schieben sich die Zimmer nach hinten, der Raum wird weit aufgefächert und verwandelt sich in die schon ziemlich heruntergekommene Villa des Prinzen Orlofsky, der zum Ball geladen hat. In Bonn sehen wir eine rechte Lasterhöhle mit Menschen in Pailletten, Männer und Frauen in Corsagen und anderen, meist schrillen Kostümen, die sich prächtig amüsieren, während von der Decke nicht nur schon das Grünzeug herabwächst, sondern auch ein vermoderter Flügel hängt, auf dem ein an Beethoven erinnernder Musiker die Tasten traktiert. Der Chor (Einstudierung Marco Medved) brilliert hier ebenso wie das neunköpfige Tanzensemble, das eine grandiose Show abliefert. Choreografin Bärbel Stenzenberger begeistert zudem als Ida auf der Bühne. Und mittendrin die großartige Susanne Blattert als Orlofsky in einer Robe, die sie halb als Mann und halb als Frau zeigt.

Die Ausschweifungen, die sich bis in die Publikumsreihen hineinziehen, haben im dritten Akt, wenn sich große Teile der Gesellschaft im Gefängnis wiederfinden, freilich ein Ende. Doch hier folgt noch einmal der große Auftritt des Frosch, der – bewaffnet mit Mundschutz und Klopapier – herrlich wienerisch über Gott, die Welt, Beethoven und das Rheinland lästert. Am Ende ein langer, aber extrem kurzweiliger Abend, der vom Publikum mit Standing Ovations gefeiert wurde.

Termine: 11.3.; 3., 29.4.; 2., 16., 31.5.; 4.6.; Karten bei Bonnticket.

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