Neue Schauspieldirektorin in Bonn Nicola Bramkamp verspricht sinnlich erfahrbares und anregendes Theater

Bonn · Die Klassik ist König. An der Spitze der Statistik des Deutschen Bühnenvereins für die Spielzeit 2011/12 (aktueller haben sie es nicht) stehen wieder die großen Drei: Mozart, Goethe und Shakespeare.

 Ensemble in der Hand: Schauspieldirektorin Nicola Bramkamp vor den Kammerspielen Bad Godesberg.

Ensemble in der Hand: Schauspieldirektorin Nicola Bramkamp vor den Kammerspielen Bad Godesberg.

Foto: Thilo Beu

"Zauberflöte", "Faust", "Ein Sommernachtstraum", das wollen die Leute sehen in Deutschland. Shakespeare, der auch noch mit "Romeo und Julia", "Hamlet" und "Was ihr wollt" in den Top Ten vertreten ist, ist der absolute Quotenkönig, schwer beliebt bei Stadttheatern und Publikum.

Das neue Theater Bonn eröffnet die Schauspielsaison am 2. Oktober in den Kammerspielen mit "Karl und Rosa". Die Uraufführung nach dem Roman von Alfred Döblin wird Alice Buddeberg inszenieren. Die "Geschichte zwischen Himmel und Hölle" spielt in Deutschland im Herbst 1918. Es treten unter anderem auf: Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Rosa und Karl statt Romeo und Julia, Döblin statt Shakespeare - ein Wagnis zum Einstieg in die neue Bonner Theaterzeit?

"Wer nicht wagt, der nicht gewinnt", sagt Schauspieldirektorin Nicola Bramkamp im Gespräch in ihrem Büro in den Kammerspielen Bad Godesberg. Dort sieht es mit den zahlreichen Umzugskisten im Flur immer noch ein bisschen nach Provisorium aus, aber die neue Theaterchefin, die zuvor als Dramaturgin am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg gearbeitet hat, erscheint voll konzentriert, erfüllt von Aufbruchstimmung, Tatendrang und Optimismus.

Theater aus dem Elfenbeinturm will sie nicht anbieten, stattdessen sinnlich erfahrbare, anregende Arbeiten. Die werden aber die Mitarbeit der Zuschauer einfordern. Ja, gibt sie zu, das Publikum müsse auf einen ambitionierten Spielplan reagieren. Auf Döblin folgt am 9. Oktober August Strindberg ("Fräulein Julie oder Aus Liebe stirbt man nicht!") in der Werkstatt.

Am 12. Oktober geht es in der Kammer weiter mit "1913. Der Sommer des Jahrhunderts" nach dem Bestseller von Florian Illies. Am 18. Oktober hat "Eltern" Premiere in Bad Godesberg, ein musikalischer Abend von Franz Wittenbrink. Shakespeare gibt es auch, aber erst im Juni 2014 in der Halle Beuel: "Königsdramen" heißt die von Alice Buddeberg inszenierte Produktion.

Nicola Bramkamp geht nicht auf Nummer sicher, sie setzt auf Herausforderung und Risiko. Sie glaubt an die Bereitschaft der Schauspielbesucher, sich auch auf Experimente einzulassen: "Ich würde das Bonner Theaterpublikum nicht unterschätzen." Bonn sei schließlich eine politische Stadt, "die Leute hier haben schon einen Anspruch".

Bramkamp, die mit ihrer Familie von Hamburg nach Bad Godesberg gezogen ist, schwärmt von der dezentralen Theaterstruktur in Bonn, den Spielstätten Kammerspiele, Halle Beuel und Werkstatt. Die Kammerspiele in Bad Godesberg will sie attraktiv fürs studentische Bonner Publikum machen, das, wie man weiß, die Spielstätte weitgehend meidet.

"Es ist wichtig, dass wir die jungen Leute hier rüberkriegen", sagt Bramkamp. Sie ist zuversichtlich, "dass wir das hinkriegen". Zum Beispiel mit "1913". Da wird das ganze Haus Szene, das Publikum ist in den Kammerspielen in Bewegung, und im Anschluss an die Vorstellung findet ein Konzert mit Carsten "Erobique" Meyer auf der Bühne statt. Ein Zusatz unter den Premierenterminen im Spielplan-Faltblatt unterstreicht den Ereignischarakter, den die neue Schauspielleitung ihrem Theater beimisst: "im Anschluss Premierenfeier im Foyer!", heißt es da.

Alle Foyers in Kammer, Werkstatt und Halle Beuel werden bis zur Spielzeiteröffnung neu gestaltet. Bramkamp versteht das Theater nämlich als "analoges Facebook". Wie bitte? Will sagen: als Begegnungsstätte, Ort des Austausches, der Diskussion.

Dafür schaffen sie jetzt die architektonischen Rahmenbedingungen. Insbesondere die Halle Beuel wird davon profitieren, die bisher ja nicht gerade zum Verweilen nach den Vorstellungen einlud.

"Wir haben eine unglaublich motivierte Truppe", sagt Nicola Bramkamp über ihr Team. Mit den Neuen kann man sich in Bad Godesberg bereits vertraut machen. Ihre Porträts hängen in Schaukästen an den Außenwänden der Kammerspiele. "Die künstlerische Handschrift liegt im Ensemble", hatte Nicola Bramkamp nach ihrer Berufung im September 2012 erklärt.

Ihr Theater werde ein "Gruppenkunstwerk" sein. Ein knappes Jahr später ist die Schauspieldirektorin, die nicht selbst Regie führen wird, überzeugt davon, dass ihre Bühnen-Arbeiter den Bonnern zukünftig reichlich Stoff anbieten werden, "über den man sprechen will oder nachdenken muss".

Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen. Das Theater im Internet: www.theater-bonn.de.

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