Theater Bonn Niklas Ritter inszeniert Friedrich Schillers Klassiker "Räuber"

Bonn · Schillers "Räuber" sind wieder en vogue auf deutschen Bühnen. In einer Gesellschaft, die Rebellion nur mehr mit Abstimmungen auf Facebook durchexerziert, ist das Sturm-und-Drang-Drama des gequälten Karlsschülers sehr gefragt.

Blutiges Drama: Szene aus der Bonner "Räuber"-Inszenierung.

Blutiges Drama: Szene aus der Bonner "Räuber"-Inszenierung.

Foto: Lilian Szokody

Niklas Ritter spart bei seiner Deutung für das Theater Bonn nicht mit der Flamme von Bärlappenmehl: Es knallt, regnet und spritzt Blut auf der Bühne der Kammerspiele, zur Ausweitung der Kampfzone wird eine riesige Video-Leinwand herangezogen, und hier wie da produziert Ritter drastisch-komische Bilder, die das Publikum abwechselnd verschrecken und amüsieren.

Karl Moors Räubertruppe mutiert bei gewissen Anlässen zur A-cappella-Boygroup, die mit Beatbox und Stimmkraft Mozarts g-Moll-Sinfonie ebenso beherzt intoniert wie sein Requiem. Tilman Ritter ist der Mann am Klavier, und seine Musik zwischen Mozart, Chopins Revolutionsetüde und "Ein Männlein steht im Walde" steht der Inszenierung gut.

Und sonst? Alles nur "Theaterfeuer, das keine Pfeife Tabak anzündet"? Das kann man so nicht sagen. Regisseur Ritter stellt die Verzweiflung der Brüder am Vater in den Mittelpunkt. Günter Alt spielt den alten Moor als invalid-infantilen Fettkloß, der um seinen Karl greint und sich von Franz füttern lässt: Sein Versagen als Vater ist der Ursprung allen Übels. Zu Beginn ausgestellt in einem kleinen Glaskasten, scheint er der Manipulation seines Zweitgeborenen hilflos ausgeliefert und lässt doch sein despotisches Ego noch hin und wieder von der Leine.

In der Rolle des Franz ist der fabelhafte Arne Lenk so kalt, so berechnend und gar nicht so hässlich, wie man sich die Kanaille vorstellt. Ganz cool spricht er seine fürchterlichen Monologe und setzt der armen Amalia zu - an Ines Schillers starker Frau mit Prinzipien und Sex-Appeal beißt er sich jedoch die Zähne aus. Alle sprechen mit Textverständnis, aber über weite Strecken kühl und emotionslos - als wollte Niklas Ritter den rhetorischen Bombast des Dramas auf Normalmaß stutzen.

Selbst Hendrik Richter als Karl Moor doziert mit einer Gleichgültigkeit über "das schlappe Kastratenjahrhundert", als würde er sich über das Wetter unterhalten: Er ist kein von gerechtem Zorn durchdrungener Rebell, der sich für eine Karriere als Räuberhauptmann entscheidet, sondern ein müder Aussteiger, der sich mangels Alternativen überreden lässt.

Auch von seinen Spießgesellen hat keiner das Zeug, aus dem Teufelskreis der Umstände, die nun einmal so sind, auszubrechen und etwas zu verändern. Sie haben kein Programm, lassen sich treiben und trinken Tee, mürrisch und verdrossen. Nur einmal steigern sie sich in eine Blut- und Gewaltorgie und verbrauchen so viel Theaterblut, dass der Putztrupp in der Pause ordentlich zu tun hat.

Doch es ist bezeichnend, dass Niklas Ritter gerade in dieser Szene seine Distanz zu Schillers Sprach- und Gedankenwucht auf die Spitze treibt und die Berauschten wütende Passagen aus Bernward Vespers Romanessay "Die Reise" ins Mikrofon brüllen lässt: Bei Gudrun Ensslins Ehemann finden die Räuber ihre verbale Munition gegen die Verlogenheit der Väter und Herrschenden. Am Ende setzt Ritter noch einen drauf, wenn er den endgültigen Tod des alten Moor und Amalias Ermordung als Kasperletheater in Szene setzt. Die Akteure haben sich die überdimensionalen Pappmachéköpfe von Kasper, Gretel, Großmutter und Räubern übergestülpt und dreschen mit Schwimmnudeln aufeinander ein. Wer tot ist, darf den Kopf abnehmen und gehen.

Karl bleibt als letzter in der Illusion gefangen. Seinen Entschluss, sich der Justiz auszuliefern, beantwortet das Theater mit einem Herunterfahren der Kulisse und einer nackten Bühne. Wie Jim Carrey in der "Truman Show" sucht Karl nach dem Ausgang aus der Scheinwelt, klettert über Stahlträger und Aufbauten, bis er ganz hinten eine kleine Tür findet. Dem Mann kann also doch noch geholfen werden: ein kleiner Lichtblick am Ende einer spannenden Inszenierung, die dem kraftvollen Stürmen und Drängen des jungen Schiller keinen rechten Glauben schenken will.

Auf einen Blick

  • Das Stück: dramatisiert sprachgewaltig die Aufbruchstimmung des Sturm und Drang
  • Die Inszenierung: verbirgt hinter Knalleffekten die Erkenntnis: Revolution ist nur Theater
  • Die Schauspieler: agieren distanziert, aber glaubwürdig

Die nächsten Aufführungen: 26. März, 12. und 20. April. Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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