Ende der Reihe "Bonn Chance!" "Nocturno" in der Bundeskunsthalle

Bonn · "Nocturno" von dem Österreicher Georg Friedrich Haas ist die letzte Produktion in der Reihe "Bonn Chance!", die - häufig in Zusammenarbeit mit der Bundeskunsthalle - zeitgenössisches experimentelles Musiktheater präsentierte und nun dem kommunalen Sparzwang weichen muss.

Szene aus "Nocturno" von Georg Friedrich Haas.

Szene aus "Nocturno" von Georg Friedrich Haas.

Foto: Thilo Beu

Der Bonner Generalintendant Klaus Weise inszenierte 2011 bei den Schwetzinger Festspielen mit großem Erfolg die Uraufführung von Haas? Oper "Bluthaus" und beauftragte den in Graz und Basel lehrenden Komponisten mit einem neuen Werk. Haas griff auf zwei bereits konzertant aufgeführte Gesangssolo-Stücke zurück, stellte sie aber in einen neuen dramatischen Zusammenhang. Das szenisch-räumliche Konzept dafür haben der Regisseur Florian Lutz, der in der Bonner Oper zuletzt Regie führte bei "Norma", und der Ausstatter Christoph Ernst entwickelt.

Es ist kein Mitmachtheater, obwohl die Zuschauer herumwandern und sich selbst ihre Perspektiven suchen können in der großen, neongrell erleuchteten Installation im Forum der Bundeskunsthalle. Allerhand plüschige Sitzgruppen und Mobiliar aus dem Fundus gibt es dort neben japanischen Pornofotos, Feuerzauber an Küchenwänden sowie Showtreppen zwischen blutigem Siedepunkt und weißem Festmahl-Ritual.

"Nocturno" widmet sich den Nachtseiten des Lebens. Das gleichnamige, titelgebende Stück für Frauenchor ist als Ouvertüre neu komponiert und verlangt absolute Dunkelheit. Dafür wird das Publikum mit Augenmasken versorgt und zur Konzentration auf das körperliche Hören veranlasst. Die Stimmen der achtzehn Damen des Bonner Opernchors, einstudiert von Sibylle Wagner, entwickeln einen unsichtbaren Klang-Bildraum. Poetische Sätze aus Novalis? romantischen "Hymnen an die Nacht" und Georg Trakls düster-symbolistischer "Romanze zur Nacht" überlagern sich geheimnisvoll.

Die Texte bleiben bewusst unverständlich, sind aber im Programmheft nachzulesen. Zartes Wispern schwillt sehnsüchtig an und verhallt. Ein Akkordeon übernimmt die musikalische Führung durch die dunkle Stille. Ungefähr fünfzehn Minuten lang lauscht man blind und auf das eigene physische Raum-/Zeitgefühl verwiesen dieser suggestiven mikrotonalen Nachtmusik, in der die Chor-Sängerinnen ihre fabelhafte Kompetenz auch bei moderner Klangsprache beweisen.

Auf diese spezialisiert ist das Kölner internationale Solistenensemble "musikFabrik", das unter der musikalischen Leitung des Bonner Zweiten Kapellmeisters Christopher Sprenger aufspielt und selbst zum Akteur wird bei "Atthis" und "Haiku". Die Sopranistin Ruth Weber verkörpert mit ungeheurer Intensität die einsame Frau. Ein Ereignis der junge Bariton David Pichlmeier, der ein "Haiku" des japanischen Dichters Yosa Buson aus dem 18.Jahrhundert etwa achtzig Mal mit unterschiedlichen emotionalen Stimmungen wiederholt: "Die Nacht so kurz - oh! Und im Haar der Raupe Perlen von Tau." Langer, überzeugter Premierenbeifall!

Weitere Vorstellungen nur noch am Montag und Dienstag (25./26. März) um 20 Uhr im Forum der Bundeskunsthalle. Restkarten an der Abendkasse.

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