Beethovenfest in Bonn Norwegian Arctic Philharmonic Orchestra gibt sein Debüt

BONN · Pocht bei Beethoven das Schicksal noch an die Pforte, so kommt es bei Tschaikowsky mit dem Rammbock angestürmt. Widerstand zwecklos. Beides aber ist nicht so ganz ernst zu nehmen.

 Quirliger Dirigent: Christian Lindberg.

Quirliger Dirigent: Christian Lindberg.

Foto: barbara frommann

Das pochende Geraune um Beethovens 5. Symphonie geht auf seinen windigen Sekretär Schindler zurück. Tschaikowsky allerdings hat sich die Deutung seiner 4. Symphonie als Schicksalssymphonie selbst eingebrockt. In seinen Briefen an seine Gönnerin Nadjeschda von Meck liefert der Komponist ein regelrechtes Programm zu seiner f-Moll-Symphonie - deren Hauptmotiv mit den charakteristischen Tonwiederholungen nebst Terzschritt abwärts im ersten Satz durchaus auf Beethovens "Fünfte" verweist.

Mit einer leidenschaftlichen und mitreißenden Interpretation - bereits nach dem ersten Satz gab es spontanen Applaus in der Beethovenhalle - gab das Norwegian Arctic Philharmonic Orchestra sein Debüt beim Beethovenfest. Dass man alles andere als unterkühlt jenseits des Polarkreises musiziert, zeigte das Orchester mit seinem quirligen Dirigenten Christian Lindberg.

In Hemd und Jeans stachelt er seine Musiker zu Höchstleistungen an. Ein warmer Hörnerklang, sattes Blech und wohltönende Streicher charakterisieren den ersten Satz: kraftvoll, aber ohne Holzhammer. Schlank und grazil werden die Kontraste gesetzt. Delikate Holzbläser-Soli und wie getupfte Pauken versetzen einen fast in die Welt des Nussknackers.

Dem leichtfüßigen Andantino folgt der markante dritte Satz. Rasant und dynamisch ausgefeilt, ja-gen die Streicher im Pizzicato dahin, den fast trunkenen Holzbläsern folgt der straffe Marsch im verhaltenen Blech, bevor Lindberg die Streicher in der Höhe entschwinden lässt: Ein zauberhaftes Nachtstück gestalten hier die Musiker, bevor es ins furios genomme Finale geht.

Kein Wunder, dass Lindberg und seine Philharmoniker nicht unter zwei Zugaben davonkommen. Eine ist in ihrer Steigerungswelle verblüffend kraftvoll genommene "In der Halle des Bergkönigs" von Grieg. Norwegisch war auch der erste Teil des Konzertes gestaltet. Angereichert mit unheimlichen Effekten wie geschlagenen Saiten zu tiefen Blechbläserakkorden kommt die Symphonische Dichtung "Aasgaardreien" des Spätromantikers Ole Olsen daher.

Christian Lindberg wäre nicht der geniale Hans Dampf in allen Gassen, wenn er nicht eine eigene Komposition mit im Gepäck gehabt hätte, die er Posaune spielend dirigiert. "Kundraan and the Arctic Light" heißt das melodramatische Werk, bei dem Lindberg auch noch eine Sprecherrolle übernimmt.

Virtuos in den Passagen für Solo-Posaune und strahlend im Orchesterpart liegt das Werk irgendwo zwischen Bernstein und Böttcher. "Das Orchester spielte diesmal so schlecht wie noch nie", schrieb Nadjeschda von Meck an Tschaikowsky nach der Uraufführung der 4. Symphonie. Das allerdings kann man von Norwegens arktischen Philharmonikern nun gar nicht behaupten.

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