Operette "Die Großherzogin von Gerolstein" in Bonner Kammerspielen

Kira Primke ist in der Titelrolle zum Verlieben und zum Fürchten

Bonn. Es ist ein Kreuz mit dieser Großherzogin. Jung und unerfahren an die Macht gekommen, beginnt sie sich für die Staatsgeschäfte zu interessieren, die ihre Höflinge lieber allein weiterklüngeln würden.

Also muss Ablenkung her: Der herbeiintrigierte Prinz als Gemahl in spe reicht nicht aus, also wird flugs ein kleiner Angriffskrieg angezettelt, bei dem die gelangweilte Herrscherin auf ihre Kosten kommt. Eine uniformgeile Nymphomanin, die sich ihre Liebhaber nach dem männlichen "Ius primae noctis"-Prinzip aussucht und für ihren Kitzel mal eben ein ganzes Regiment über die Klinge springen lässt?

Das ist ein Stoff, der auch als frivole Satire nicht leicht in den Griff zu kriegen ist. Kay Voges ist es mit seiner Inszenierung an den Kammerspielen gelungen, findet auch das lautstark applaudierende Publikum. Jacques Offenbachs Operette "Die Großherzogin von Gerolstein" ist turbulente und leichtfüßige Unterhaltung, in der Gelächter und Grauen nah beieinander liegen.

Voges hat die von Offenbach und seinen Librettisten Henri Meilhac und Ludovic Halévy angelegte Satire (deutsche Fassung von Bernd Wilms) noch einmal nachgeschärft, so dass die revolutionäre Sprengkraft der Offenbachiade erhalten bleibt: Was vordergründig amüsiert, ist zugleich eine Aufforderung zum Widerspruch gegen Krieg, Korruption und Herrscherwillkür.

Ort des Geschehens ist ein Wald, in dem sich Fuchs und Hase - in den Kammerspielen sogar mit brüderlicher Umarmung - gute Nacht sagen. Hier lässt General Bumm seine Soldaten antreten, hier zaubern weißes Sofa und Kronleuchter bei Bedarf Schloss-Atmosphäre, hier dient ein wackliges Zweimannzelt als Treffpunkt für Verschwörung und Hochzeitsnacht.

Stellvertretend für die szenischen Einfälle, mit denen Voges sein antimilitaristisches Happening antreibt, sei die Motorsäge genannt: Im Original überreicht die Großherzogin ihrem Favoriten Fritz vor der Schlacht "den Degen von Papa", eine eindeutig zweideutige Insignie, die in der feierlichen Hymne "Der Degen, der Degen" oder "Der Säbel, der Säbel" besungen wird. Die Kettensäge funktioniert als Phallus noch viel besser, und die Ode an "die Säge, die Säge" ist schräg genug, die gewaltverherrlichende Gesellschaft zu Gerolstein vollends lächerlich zu machen.

Michael Barfuß liefert die musikalischen Pointen dazu - auch ohne volles Orchester: Unter seiner Leitung überzeugen Streichquartett, Klavier, Trompete und Schlagzeug mit Präzision, Durchschlagskraft und kauziger Poesie. Rasselnd und funkelnd springt ein Märschlein nach dem anderen aus dem Orchestergraben, und auch im engagiert mitspielenden Chor läuft die Offenbach-Maschine wie geschmiert.

Ein Glücksfall ist die Besetzung der Titelrolle. Kira Primke ist als Großherzogin zum Verlieben charmant, zum Fürchten böse. Mit beweglichem und tragendem Operettensopran trällert, gurrt und quiekt sie, dass der Männerwelt Hören und Sehen vergeht. Aber der von ihr auserkorene Soldat Fritz widersteht trotz Beförderung zum General allen Avancen und heiratet seine Wanda; der attraktive Baron Grog (Helge Tramsen) kann zwar gut küssen, hat aber Frau und vier Kinder zu Hause.

Da weicht das verwöhnte, animalische Herzoginnenwesen schon mal zurück und lässt eine verletzliche, einsame Frau zum Vorschein kommen: "Wenn man nicht bekommt, was man liebt, muss man eben lieben, was man bekommt", seufzt Kira Primke höchst musikalisch, als sie aus Mangel an Alternativen dem dicken und doofen Prinzen Paul (Günter Alt) doch noch die Hand zum Ehebund reicht. Hendrik Richter ist ein schneidiger Fritz mit naivem Stolz und starker Stimme, seine Wanda (Anna Therese Brenner) ein liebes Mädchen, das aber zumindest stimmlich ihrer Rivalin nicht das Wasser reichen kann.

Der Sonderpreis für Komik geht an Yorck Dippes General Bumm, der mit vollem Körpereinsatz und bravouröser Beschränktheit nach Krieg lechzt. Unerwartet drastisch ist das für die Inszenierung neu erfundene Ende. Nötig ist es nicht, da ohnehin niemand den operettenseligen Tanz auf dem Vulkan missverstehen könnte. Die Welt ist aus den Fugen im Großherzogtum Gerolstein, und selbst "die Säge, die Säge" wird?s nicht richten.

Karten: unter anderem in den Zweigstellen des General-Anzeigers.

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