Partitur entstand auf Butterbrotpapier

Am Sonntag wird Hans Farnschläders "Stacheldrahtmesse" in Mehlem uraufgeführt

Partitur entstand auf Butterbrotpapier
Foto: Friese

Mehlem. Notenpapier gab es nicht im Kriegsgefangenenlager. Also sammelte der Kirchenmusiker Hans Farnschläder Zettel, zog darauf eigenhändig Notenlinien und schrieb eine vierstimmige Messe nieder. Am 2. Juli 1945 beendete er das Kyrie.

"Das war so eine Art Butterbrotpapier", erzählt Willi Mollberg, der dafür gesorgt hat, dass die handschriftliche Partitur wieder ans Tageslicht kam. Und nicht nur das. Dem Mehlemer Uhrmachermeister Mollberg ist es auch zu verdanken, dass die Messe am Ostersonntag uraufgeführt werden kann - im Gedenken an den 100. Geburtstag von Hans Farnschläder.

1926, im Alter von 19 Jahren, trat der aus dem Vorgebirge stammende Musiker sein Amt als Kirchenmusiker an St. Severin an und füllte es 50 Jahre lang bis zu seinem Tod 1976 aus. Der Musiker, der in Lagern im Westerwald und in Gießen interniert war, wurde 1947 aus der Gefangenschaft entlassen. Die Messe, die er "Stacheldrahtmesse" genannt hatte, verschwand bis 2005 im Notenschrank. Farnschläder hatte Wichtigeres zu tun.

Er baute den Kirchenchor an St. Severin neu auf und rief eine Knaben-Choralschola ins Leben. Mit dabei: Willi Mollberg, der bald auch im gemischten Kirchenchor "Cäcilia" und in der Männerschola mitsingen durfte. Farnschläder gab dem Jungen zudem Orgelunterricht und betraute ihn bald sogar mit Vertretungsproben. Die Kirchenmusik lässt Mollberg bis heute nicht los.

Häufig findet man ihn in einer der Kirchen der Region, wenn er die Gemeinde an der Orgel begleitet. Deshalb ist das Uraufführungsprojekt für Mollberg auch ein Zeichen des Dankes an Farnschläder, dem er die Liebe zur Kirchenmusik verdankt.

Farnschläders "Stacheldrahtmesse" ist eine harmonisch einfache A-cappella-Musik für gemischten Chor, aus der eine schlichte Frömmigkeit spricht. Dem Beginn des Kyries liegt der Anfang des Liedes "Zu dir schick ich mein Gebet" zugrunde, der im "Dona nobis pacem" des Agnus Dei wiederkehrt und so das Werk zusammenschließt.

Das Gloria schlägt hymnischere Töne an, das Sanctus schwingt im Dreiertakt, das Benedictus gibt sich lyrisch. Das wortreiche und komplexe Credo hat Farnschläder nicht vertont. Nach einer Probe habe Farnschläder von seiner Messe erzählt, erinnert sich Mollberg, doch gezeigt habe er sie nie. Als Farnschläders zweite Frau Elfriede 2005 starb, bat Mollberg den jüngsten Sohn, Egon Farnschläder, in dem Lannesdorfer Haus nach der Messe zu suchen. Mit Erfolg.

"Wahrscheinlich hat der Heilige Antonius mitgesucht", meint Mollberg. Bis zur Aufführung der Messe war es aber noch ein weiter Weg. Mit Hilfe des Musikers Dietmar Zerwas entstand aus den zum Teil nur noch schwer zu entziffernden Noten per Computer eine lesbare Chorpartitur. Doch wer sollte das Werk singen?

Ein Kirchenchor existiert an St. Severin seit einiger Zeit nicht mehr. Willi Mollberg schaffte es, die Chorgemeinschaft von St. Gereon in Niederbachem zu gewinnen. Diesen Chor leitet er seit 2005 kommissarisch. Dass ihm gerade jetzt ein Chor zur Verfügung steht, ist für ihn eine glückliche Fügung: "Wenn ich es jetzt nicht mache, wer macht es dann?"

Die "Stacheldraht-Messe" wird am Ostersonntag im Festhochamt um 11.15 Uhr in St. Gereon uraufgeführt. Am 29. April erklingt sie in einer Messe zur Diamantenen Kommunion in St. Severin in Mehlem und am 26. Mai in St. Clemens auf der Insel Nonnenwerth.

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