St. Hildegard in Mehlem Patricia Kopatchinskaja - Zurück zu den Wurzeln

MEHLEM · "Dor" - ein schwer übersetzbares Wort. Sehnsucht trifft es nicht ganz, Heimweh auch nicht, und Schwermut alleine kann es ebenfalls nicht sein. Vielmehr umschreibt dieses rumänische Wort eine Mischung aus all diesen Gefühlen, eine Mischung, die besonders die 3. Violin-Sonate von George Enescu ausmacht.

"Wenn ich sie spiele, habe ich das Gefühl, die Heimat wiederzuerleben", sagt die Geigerin Patricia Kopatchinskaja. "Mein Zuhause, das physisch nicht mehr existiert, lebt in dieser Musik, dieser Sonate weiter." Als "Artist in Residence" des Beethovenfestes spielte die Moldauische Solistin dieses Werk am Sonntag in der ausverkauften Kirche St. Hildegard Mehlem.

Mit einer Mischung aus Leidenschaft und Leichtigkeit fühlte Kopatchinskaja die Tiefen dieser großartigen Sonate nach. Dabei verschmolz sie ganz mit dem quasi-improvisatorischen Kompositionsstil Enescus. Alles klang wie aus dem Augenblick, aus dem Gefühl heraus geboren und sich entwickelnd. Tatsächlich aber ist alles vom skrupulösen Enescu bis in die kleinste Nuance festgelegt.

Es wurde eine aufwühlende Reise nicht nur durch die rumänische Seelenlandschaft. Etwa im Mittelsatz, der in einem gewaltigen Bogen von gedämpfter Unruhe, über erdbebengleiche Entladungen in schmerzlicher Melancholie verklingt. Mit Polina Leschenko hatte Kopatchinskaja in allen Werken eine adäquate Partnerin für solch musikalische Höhenflüge. Das gilt gleichfalls für die mörderisch schwierige Tzigane-Rhapsodie von Ravel, die bei der Solistin zu einem brillant halsbrecherischen Ritt auf den Saiten wurde.

Ihren unglaublichen Nuancenreichtum konnte die stets barfuß spielende Geigerin auch in den vielgestaltigen Rumänischen Volkstänzen des Enescu-Freundes Bartok unter Beweis stellen. "Rapsodia" war das Konzert überschrieben, in dem auch Kopatchinskajas "Familien-Orchester" im Mittelpunkt stand. "Ich bin als Solistin immer unterwegs", so die ebenso sympathische wie bescheidene Künstlerin. "Deshalb ist es dann immer ein Fest, wenn ich mit meinen Eltern zusammen spielen kann. Das möchte ich mit dem Publikum teilen." Und das taten sie so, dass das Publikum am Schluss begeistert von den Sitzen sprang.

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