Köln statt Grafenwerth 3000 Menschen jubeln Patti Smith zu

Köln · Eigentlich sollte sie Open Air auf Grafenwerth singen. Nachdem die Insel-Konzerte jedoch gerichtlich untersagt worden waren, musste Patti Smith nach Köln ins Palladium ausweichen. Ihr dorthin gefolgt zu sein, hat wohl kein Fan bereut.

 Schwarze Hose, schwarze Jacke: Patti Smith in klassischem Outifit bei ihrem Auftritt im Palladium Köln.

Schwarze Hose, schwarze Jacke: Patti Smith in klassischem Outifit bei ihrem Auftritt im Palladium Köln.

Foto: Thomas Kölsch

Sie liebe diesen Ort, sagt Patti Smith, nachdem sie ihr Pu­blikum im Kölner Palladium zusammen mit ihrer vierköpfigen Band mit ihrem Song „Nine“ von ihrem 2012er Album „Banga“ ein paar Minuten lang in psychedelische Welten entführt hatte. Nun steht sie dort an diesem Pfingstmontag gut gelaunt auf der Bühne, spricht zu den 3000 Menschen. „Where do you all come from?“, fragt sie in die Menge. Aus den vielen Antworten filtert sie einen entfernteren Ort heraus – „You came all from New Jersey?“ Lachen im Publikum.

Patti Smith ist fast ein bisschen gerührt, dass so viele Menschen trotz des kurzfristigen Ortswechsels in die Kölner Schanzenstraße gekommen sind. Der Umzug war notwendig geworden, nachdem ein Gericht vor ein paar Tagen erst die Open-Air-Konzerte auf der Bad Honnefer Insel Grafenwerth 40 Kilometer rheinaufwärts untersagt hatte.

Nachdem sie eine wunderbare, ruhige Version von Bob Dylans „One Too Many Mornings“ gesungen hatte („Das war vor – ähm – 60 Jahren ein Lieblingssong von mir“), erzählt sie von der Insel auf dem Rhein, die sie von der anderen Seite habe sehen können, als man ihr am Sonntag den Beethovenpreis überreicht habe. Der erstaunten, von respektvollem Applaus begleiteten Reaktion begegnet sie mit dem Bekenntnis, dass der Komponist zu den Favoriten von ihr und von ihrem verstorbenen Mann Fred Sonic Smith zählte: „We listened to Beethoven, Coltrane and Jimi Hendrix all the time!“

Patti Smith: Mehr als die Godmother of Punk

Man nennt Patti Smith gern die „Godmother of Punk“, doch das ist eine sehr verkürzte Sicht auf eine Künstlerin, deren Vielseitigkeit und Neugier bis heute ungebrochen sind und deren Welt aus mehr als drei Akkorden besteht. Eine Künstlerin, die für die „Zeit“ über Christoph Schlingensiefs Bayreuther „Parsifal“ schrieb. In Köln zeigt sie das unter anderem mit einem beeindruckendenden Vortrag von Alan Ginsbergs „Footnote To Howl“, dessen ewige Wiederholungen des Wortes „Holy“ sich regelrecht in die Seele bohren. Und ihr Gitarrist Lenny Kaye, der sie schon Anfang der 1970er Jahre bei Lyrik-Lesungen in New York begleitete, freute sich darüber, dass ihr erstes Konzert in Deutschland an diesem Abend auf Thomas Manns Geburtstag falle.

An Patti Smiths Oufit hat sich kaum etwas geändert, seit Robert Mapplethorpe sie für ihr 1975er Debüt-Album „Horses“ ablichtete: Schwarze Hose, schwarze Jacke, die sie auf dem Album-Cover lässig über die Schulter geworfen hat und in Köln erst beim letzten Lied vor der Zugabe „Gloria“ ablegen wird. Statt des weißen Hemds auf dem ikonischen Cover-Foto trägt sie nun jedoch ein weißes T-Shirt. So wie sie vor dem Mikrofon steht, wie sie sich bewegt, leichtfüßig tanzt, merkt man Patti Smith ihr Alter nicht an. Auch ihre Stimme ist kraftvoll und von bemerkenswerter Präsenz. Das Publikum ist von dieser charismatischen Erscheinung wie verzaubert. Die Menschen heben die Hände, wenn sie es verlangt und Freiheit predigt. Das Repertoire an diesem Abend ist eine bunte Mischung aus eigenen Songs und Cover-Versionen anderer Künstler wie Neil Youngs „After The Goldrush“ oder Led Zeppelins „Since I‘ve Been Loving You“.

Und natürlich ihre eigenen Songs, die sie mit ungeheurer Energie zelebriert. Sei es „Dancing Barefoot“, zu dem man gern in der Naturkulisse von Grafenwerth getanzt hätte. Oder, gegen Ende des mehr als zweistündigen Auftritts, das mitreißende „Because The Night“, das beim begeisterten Publikum ein großes Echo findet, oder auch „Pissing In The River“ und „Gloria“, mit dem sie sich im Palladium verabschiedet. Aber jeder weiß: Sie wird noch einmal zurückkommen. Das tut sie dann auch und singt zur hörbar großen Freude der Menge noch „People Have The Power“.

Patti Smith hatte an diesem Abend die Kölner schon dafür beglückwünscht, dass der größte lebende Künstler der Welt, Gerhard Richter, in ihrer Stadt lebe. Am Ende kam sie noch einmal auf ihn zurück und versprach: „When I have coffee with Gerhard Richter, I come back and sing for you.“ Wahrscheinlich werden viele Fans darauf hoffen, dass Richter und Patti Smith bald einen Termin finden.

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