Ein bisschen Anarchie Patti Smith spielt in Köln

KÖLN · Patti Smith, die auch „Godmother of Punk“ genannt wird, spielt vor 3800 Zuhörern auf dem Kölner Roncalliplatz. Als Überraschungsgast dabei: Joan Baez.

Manchmal kann es etwas dauern, bis ein Traum in Erfüllung geht. Patti Smith musste mehr als 40 Jahre warten. In den 1970er Jahren war die „Godmother of Punk“, wie die 71-jährige Musikerin, Lyrikerin und Fotografin genannt wird, zu Besuch in Köln und schaute sich natürlich auch den Dom an. Beim Roncalliplatz musste sie damals schon daran denken, was das doch für ein toller Ort für einen Auftritt wäre – im Schatten dieser „wundervollen Kathedrale“. Am Donnerstag konnte Smith sich diesen Traum endlich erfüllen und spielte im Rahmen der Open-Air-Reihe „Weltstars auf dem Roncalliplatz“ ein mitreißendes Konzert – auch wenn sie aufgrund einer Handverletzung aufs Gitarrespielen verzichten und sich ganz auf den Gesang konzentrieren musste.

Den dritten Song, „Dancing Barefoot“ von 1979, widmete sie Joan Baez, „einer Frau, der ich viel zu verdanken habe“, und zur Überraschung der 3800 Zuschauer kam die Folk-Sängerin auf die Bühne, um das Stück mitzutanzen und mitzusingen. Van Morrison, der wie Baez zum Aufgebot der Open-Air-Reihe gehörte, wurde von Smith geehrt, indem sie ihre Version von „Gloria“ zum Abschluss des regulären Sets spielte – gleich im Anschluss an ihren größten Hit „Because The Night“.

Es sollten nicht die einzigen Verneigungen von Smith vor Musikerkollegen und Wegbegleitern sein an diesem Abend. Bob Dylan, den sie zuletzt bei dessen Nobelpreis-Verleihung vertreten hatte, wurde ebenso gewürdigt wie Elvis Presley mit einer Coverversion von „Can‘t Help Falling In Love“ im Zugabenteil – bei der die Musikerin ob der ergreifenden Teilhabe des Publikums für einen kurzen Moment sogar ihren Einsatz verpasste.

Eine Spur von Anarchie darf nicht fehlen

Ihr über ein psychedelisches Riff rezitiertes „We Three Kings“ widmete Smith dagegen dem 1977 verstorbenen afroamerikanischen Jazzmusiker Roland Kirk. Der Song entfaltete – ebenso wie das bereits erwähnte „Gloria“ mit seiner berühmten Einstiegszeile „Jesus Died For Somebody's Sins But Not Mine“ – vor der malerischen Kulisse noch einmal eine ganz besondere Wirkung, sollen dem katholischen Mythos nach doch im Kölner Dom die Gebeine der besungenen Heiligen Drei Könige aufbewahrt sein.

Natürlich durfte bei einer Persönlichkeit wie Patti Smith eine Spur von Anarchie nicht fehlen. Auch die Fans, die kein Ticket hatten, aber hinter dem eingezäunten Bereich einen Blick auf das Konzert zu erhaschen versuchten, wurden von der Grande Dame freundlich und wohlwollend begrüßt. Und ihren zahlenden Gästen in den bestuhlten Reihen vor ihr rief sie nach wenigen Liedern entgegen: „Hört nicht auf die Security und seid nicht solche Weicheier! Wenn ihr aufstehen wollt, dann macht es. Macht, was ihr wollt!“

Lediglich als beim abschließenden „People Have The Power“ plötzlich ein junger weiblicher Fan mitten auf der Bühne stand und seine Liebe mit einer Umarmung zum Ausdruck bringen wollte, war das für Smith und deren Band offensichtlich eine Spur zu viel Herrschaftslosigkeit. Ohne Umarmung wurde die etwas übermütige Zuschauerin vom Gitarristen schnell zur Bühnenseite manövriert. Verständlich, aber angesichts der musikalischen Vergangenheit von Smith dann doch auch ein wenig enttäuschend.

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