Tanzgastspiel in der Bonner Oper Perfektion und Pflichterfüllung

Bonn · Mit „Pa/Ethos“ gastierte das Spellbound Contemporary Ballet in der Bonner Oper. In kraftvollen Solos, zarten Duetten, intensiven Trios und hochdynamischen Ensembleszenen offenbarten die Tänzer ein stupendes Können.

 Pathos und Ethos: Gruppenbild des Spellbound Contemporary Ballet.

Pathos und Ethos: Gruppenbild des Spellbound Contemporary Ballet.

Foto: Gianfortuna

Melancholie und Einsamkeit seien die Themen seines Werks „Pa/Ethos“, erklärte der in Peking und bei der Forsythe-Company in Deutschland ausgebildete chinesische Choreograf Sang Jijia in einem Interview. Seine tibetanischen Wurzeln müsse er nicht herausstellen. Inspiriert hätten ihn klassische Statuen in europäischen Museen und Gärten, ihr quasi erstarrtes Ausdrucksvokabular. Der Titel des zweiteiligen Abends, der jetzt in der Bonner Gastspielreihe „Highlights des Internationalen Tanzes“ Deutschland-Premiere feierte, setzt sich zusammen aus den Begriffen Pathos und Ethos. Mit der renommierten italienischen Company „Spellbound Contemporary Ballet“ reflektiert er die Polarität der beiden rhetorischen Formen. Einerseits die strengen Regularien einer Gruppe, andererseits die individuellen Affekte.

Aber die exzellenten fünf Tänzerinnen und vier Tänzer vermischen sie auch. Pathetische Gesten erscheinen im ersten Teil plötzlich wie sinnentleerte Floskeln, eingefangen durch soziale Verhaltensmuster. Bei aller technischen Brillanz wirken die Akteure wie ferngesteuerte Hochleistungsmaschinen, die selbst bei intimen Begegnungen einander fremd bleiben. Sie zitieren Ballettfiguren, gehen körperlich bis an die Grenzen des Möglichen und bewegen sich dabei wie unter einem geheimen Zwang. Die ästhetische Perfektion wird zur Metapher für die ethische Pflichterfüllung und die physischen Qualen, die der großen Idee vorausgehen.

Ab und zu mischt sich manisches Gelächter in die zwischen meditativen Wiederholungen und rauen Rhythmen kreisende elektronische Musik des Hongkonger Star-Komponisten Dickson Dee. Der skulpturale Effekt der Figuren wird verstärkt durch die weiß gepuderten Körper der Tänzer und durch das fantastische Lichtdesign von Marco Policastro. Wie eine Kathedrale aus sich überkreuzenden einzelnen Strahlen wirkt der Raum im ersten Teil; die vertikalen weißen Linien im zweiten Teil erinnern an antike Säulen. Auch hier erscheinen die Emotionen verhalten. Auch wenn die Bewegungen nun stärker von innen kommen und kleine persönliche Revolten gegen die gesellschaftlichen Forderungen markieren. Die Körper werden dabei fast durchsichtig für die psychische Energie. In kraftvollen Solos, zarten Duetten, intensiven Trios und hochdynamischen Ensembleszenen offenbaren sie ein stupendes tänzerisches Können.

Dennoch bleiben sie stets merkwürdig vereinzelt: Monaden, die das Universum spiegeln. Zwar empfindungsfähig und mit einem Ich-Bewusstsein versehen, aber „Kunstwerke“ auf der Suche nach der Harmonie zwischen gesellschaftlichen Zwängen, äußerer Hülle und seelischer Bewegung.

Insofern trifft hier – ohne vordergründige Hervorhebung – westlicher moderner Tanz auf fernöstliches Denken. Philosophisch verbunden durch die Appellkraft des Pathos und die Integrität des Ethos. In der (inklusive Pause) gut 90-minütigen, rigoros antinarrativen Inszenierung fehlte manchem freilich der Logos. Überzeugter, aber nicht übermäßig begeisterter Beifall im gut besuchten Opernhaus.

Das nächste Tanz-Highlight folgt bereits am 14./15. Februar mit „Les Ballets Bubenícek“. Die tschechischen Zwillinge Jiri und Otto Bubenìcek waren Startänzer bei John Neumeier in Hamburg und präsentieren ihre neue eigene Company.

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