Ernst-von-Siemens-Musikpreis Peter Gülke erhält Auszeichnung

BONN · Mit der Benennung ihres diesjährigen Musikpreisträgers hat die Ernst-von-Siemens-Stiftung einen Überraschungscoup gelandet. Denn neben öffentlichkeitswirksamen Namen wie Herbert von Karajan, Benjamin Britten, Claudio Abbado oder - zuletzt - Mariss Jansons hat man sich nun mit Peter Gülke für einen Dirigenten und Musikwissenschaftler entschieden, dessen Wirkungsstätten weniger die großen Konzerthäuser dieser Welt sind.

 Dirigierender Denker: Peter Gülke.

Dirigierender Denker: Peter Gülke.

Foto: dpa

In seiner Biografie spielen seine Geburtsstadt Weimar oder auch Wuppertal, wo er von 1986 bis 1996 als Generalmusikdirektor das Musikleben der Stadt prägte, eine wichtigere Rolle als die großen Musikmetropolen Berlin, Wien oder New York. Gülke, der zurzeit Präsident der Sächsischen Akademie der Künste in Dresden ist, erhält die mit 250.000 Euro dotierte Auszeichnung für "ein Leben im Dienste der Musik", wie die Stiftung gestern in München mitteilte.

Peter Gülke, der im April 80 Jahre alt wird, war immer schon jemand, der nach den Wesen der musikalischen Dinge fragte. Davon profitierten die Studenten seiner Dirigierklasse an der Musikhochschule in Freiburg ebenso wie die jungen Musikwissenschaftler an den Universitäten von Basel und Zürich. Das Spektrum, das er behandelt, ist immens.

Die Musik des 15. Jahrhunderts um Guillaume Dufay ist für ihn ebenso Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzung wie die des 19. und 20. Jahrhunderts. Erst am Mittwoch hatte er auf Einladung des Beethoven-Hauses im Rahmen der Beethoven-Woche einen klugen Vortrag über das Gesangliche in Beethovens Musik gehalten. Beim Beethovenfest leitete Gülke als leidenschaftlicher Pädagoge in den vergangenen Jahren mehrmals die Werkstattkonzerte, wenn die Deutsche Welle Jugendorchester aus aller Welt zum Orchestercampus nach Bonn einlud.

Biografisch geprägt wurde Gülke durch seine Jahre in der DDR. Er studierte Violoncello, Musikwissenschaft, Germanistik, Romanistik und Philosophie in Weimar, Jena und Leipzig. "Schon der verordneten Ideologie wegen kam die als Hauptfach studierte Musikwissenschaft für den Beruf nicht in Frage", sagte er einmal. Also wurde er Dirigent.

Nach Stationen als Chef verschiedener Orchester der damaligen DDR wurde er 1976 Kapellmeister an der Staatsoper Dresden, 1981 übernahm er die Position des Generalmusikdirektors in seiner Heimatstadt Weimar. Weil er zunehmend unter politischen Druck geriet, verließ er die DDR, Frau und Kind musste er zunächst zurücklassen. Erst ein Jahr später konnte er sie nachholen.

Dass er im freien Westen sein musikalisches Leben mit Beethoven begann, hat ihn durchaus berührt: "Nicht unbedingt übereinstimmend mit der Nähe zu einer heute falsch desavouierten Aufklärung von links konnte ich nicht zufällig finden, dass ich am ersten Abend in der damals anderen Welthälfte ?Fidelio? zu dirigieren hatte und am folgenden Jahresende zehnmal die Neunte Sinfonie", kommentierte er diese Zeit. Nach dem Tod seiner Frau lebt Gülke seit dem vergangenen Jahr wieder in Weimar.

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