Musikphilosophischer Salon des Beethoven-Hauses Peter Sloterdijk und Ulrich Konrad diskutieren

BONN · Natürlich musste die Anekdote auch an diesem Abend erzählt werden: Als Ludwig van Beethoven im Jahre 1804 davon hörte, dass Napoleon sich selbst zum Kaiser gekrönt habe, soll er das mit einer Bonaparte-Widmung versehene Titelblatt der dritten Sinfonie wütend zerrissen und ausgerufen haben.

 Philosoph und Autor Peter Sloterdijk.

Philosoph und Autor Peter Sloterdijk.

Foto: Horst Müller

"Ist der auch nichts anders, wie ein gewöhnlicher Mensch!" Im musikphilosophischen Salon des voll besetzten Beethoven-Hauses ging es um die wechselvolle Beziehung des Komponisten zu Napoleon und seine Haltung zum Heroischen. Gesprächspartner waren der Musikwissenschaftler Ulrich Konrad und der Philosoph Peter Sloterdijk und der Publizist Manfred Osten, der den Abend moderierte.

Nachdem Osten die Napoleon-Episode erzählt hatte, machte Ulrich Konrad sogleich klar, welche Rolle er an diesem Abend spielen würde - die des wissenschaftlichen Korrektivs, der gegen Mythen Fakten in Stellung bringt. Es sei eine sehr schöne Erzählung, räumte er ein: "Wenn sie nicht wahr ist, so ist sie zumindest doch gut erfunden."

Später am Abend kassierte er auch den in der "Eroica"-Rezeption sehr beliebten Gedanken, dass es sich bei diesem Werk um eine Prometheus-Sinfonie handele. Das aus dem gleichnamigen Ballett Beethovens und aus den Eroica-Variationen bekannte Thema habe jedoch nichts mit jenem Prometheus zu tun, der gegen die Götter frevelt. Im Ballett etwa gehe es darum, dass die Menschen gebildet würden durch Tanz und Musik.

Sloterdijk, dessen nächstes Buch von Napoleon handeln wird, wie Osten zu berichten wusste, wies auf eine sehr pragmatische Seite Beethovens hin und wollte dessen Beziehung zu Napoleon vor allem im Lichte der Karriereplanung betrachten. "Er hatte um 1803 von Wien genug", sagte Sloterdijk.

Deshalb habe er einen Wechsel nach Paris in Betracht gezogen. Dabei habe er, wie Sloterdijk formulierte, "sich ein Entrée über die Spitze der Gesellschaft verschaffen wollen".

Konrad zweifelte indes daran, dass es Beethoven mit der Absicht ernst gewesen sei. Das hätte für ihn nur Sinn ergeben, wenn er Napoleon gesellschaftlich auf gleicher Augenhöhe hätte begegnen können.

Was die Leistung anging, sah sich der Komponist genau dort: "Da gibt es einen Mann, der die alte alte Ordnung zerstört und eine neue aufbaut. Und so bin ich auch", formulierte Konrad für Beethoven. Und: "Ich bin ein Napoleon in meiner Kunst."

Dass Beethoven in seiner Kunst jedoch die ganze Menschheit im Blick gehabt habe, bezweifelten Konrad wie Sloterdijk. "Das ist das alte Problem des Idealismus", sagte der Philosoph: "Man redet immer mit allen, aber mit niemanden richtig." Und Konrad sagte: "Die Menschheit begann bei Beethoven ab einer bestimmten Klasse. Und er orientierte sich nach oben."

Hinter die berühmten Worte aus der neunten Sinfonie "Alle Menschen werden Brüder" wird mancher nun ein Fragezeichen setzen.

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