Philharmonia Orchestra London gastiert in Bonn

Der Dirigent Lorin Maazel und das Philharmonia Orchestra aus London sind in diesem Jahr in einer Mahler-Mission unterwegs. Mit sämtlichen Symphonien und noch einige weiteren orchestralen Werken des Komponisten durchqueren sie Europa.

Philharmonia Orchestra London gastiert in Bonn
Foto: Barbara Frommann

Bonn. Der Dirigent Lorin Maazel und das Philharmonia Orchestra aus London sind in diesem Jahr in einer Mahler-Mission unterwegs. Mit sämtlichen Symphonien und noch einige weiteren orchestralen Werken des Komponisten durchqueren sie Europa, die Zielgerade erreichen sie am 9. Oktober mit der Achten, der "Symphonie der Tausend", in London.

Ein echtes Mammutprojekt also, mit dem der 81-jährige Maazel und die Briten den 100. Todestag Gustav Mahlers würdigen. Dass sie just am Stichtag, dem 18. Mai, auf Einladung des Beethovenfestes in Bonn gastierten, darf man in diesem Zusammenhang schon als eine Sensation bezeichnen.

Zumal das Konzert in der nahezu ausverkauften Beethovenhalle Orchesterkultur auf allerhöchstem Niveau bot. Doch bevor Maazel den Einsatz zur ersten Sinfonie des Komponisten gab, räumte er Felix Mendelssohn Bartholdy eine halbe Stunde ein. Mit dessen herrlichem Violinkonzert in e-Moll nämlich wurde der Abend eröffnet, den Solopart spielte die niederländische Geigerin Janine Jansen.

Sie konnte sich bei den Musikern aus London wohlfühlen, weil das Zusammenspiel vom temperamentvoll vorgestellten ersten Thema an bestens funktionierte. Jansen schwelgte mit ihrer Stradivarius in den ausgeprägten melodischen Linien des Werkes, spielte virtuos, mit schönem, nicht zu druckvollem Ton und mit geschmackvoll eingesetztem Vibrato. Das Orchester zeigte unter Maazel dazu eine wache, sehr lebendige Präsenz.

Sehr innig, fast schlicht wirkte danach die Bach-Sarabande als Zugabe. In seinem Leben hat Lorin Maazel die Symphonien von Gustav Mahler unzählige Male dirigiert. Sie zählen zweifellos zu den Schwerpunkten seines Konzertrepertoires. Er weiß, wie man Mahlers Vision der erwachenden Natur in Klang verwandelt.

Das dicht gedrängt auf der Bühne der Beethovenhalle platzierte Orchester ließ die Flageolett-Töne in zerbrechlicher Schönheit erklingen, während die Holzbläser sich langsam zu regen begannen, aus der Ferne Militärklänge herüberwehten und das Horn eine introvertierte Melodie anstimmte.

Wenn dann irgendwann aus dieser Stimmung heraus zunächst die tiefen Streicher das muntere Lied "Ging heut' morgen übers Feld" anstimmen, ist man mitten drin in Mahlers Welt, die im ersten Satz einem Gefühl wie "Frühling und kein Ende", wie Mahler schrieb, entgegengeht. Doch Maazel spielt das nicht naiv nach.

So wie er die Steigerungen inszeniert, wenn gegen Ende die acht Hornisten stehend in die Instrumente blasen, ist das von solch heftiger Wirkung, dass man hier durchaus schon die katastrophischen Ausbrüche des Finales mithören darf. Maazel liebt solche Extreme, wie sie bei Mahler zu finden sind.

Die müssen freilich nicht immer laut sein, sondern können auch auf leisen Sohlen dahergeschlichen kommen. Wenn im dritten Satz der Solokontrabass zu den Trauermarsch-Schlägen der Pauke das nach Moll gewendete Thema des "Frère Jacques"-Kanons anstimmt, trifft er den Ausdruck zwischen schlichtem Volksliedton und Groteske, die sich bis zu böhmischen Dorfmusikantenklängen steigert.

Eine der musikalisch anrührendsten Stellen an diesem Abend war dann die Lindenbaum-Episode, in die das Orchester mit einem hauchfeinen Streicherpianissimo ganz viel Herzblut hineinlegte. In den ersten Aufführungen des 1889 fertiggestellten Werkes hatte Mahler seine Intentionen mit ausführlichen programmatischen Satzüberschriften zum Ausdruck gebracht (die er später verwarf).

Den orchestralen Aufschrei des Finalbeginns kommentierte er "als der plötzliche Ausbruch der Verzweiflung eines im Tiefsten verwundeten Herzens". Das grandiose Philharmonia Orchestra brachte mit einem phänomenalen Tutti-Klang die Beethovenhalle zum Erzittern. Den Applaus absolvierte das begeisterte Publikum im Stehen.

Das Konzert wurde vom WDR aufgezeichnet und wird am 18. Juli, 20.05 Uhr, auf WDR 3 und am 7. August um 11 Uhr im WDR-Fernsehen gesendet.

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