Phonographisches Quartett feiert im Beethoven-Haus Premiere

Frech, unterhaltsam, konträr: Vier Kritiker diskutieren über Aufnahmen der Diabelli-Variationen und nehmen dabei kein Blatt vor den Mund.

Bonn. Für seine Aufnahme der Beethovenschen Diabelli-Variationen hat der Pianist Michael Korstick höchstes Kritikerlob geerntet. "Er macht alles richtig", befand auch Eleonore Büning, Kritikerin der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, bei der Premiere des Phonographischen Quartetts im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses.

Allerdings nicht ohne den Nachsatz hinzuzufügen " - bloß keine Musik!" Von ihren drei Kollegen war gegen dieses vernichtende Urteil kein Widerspruch zu vernehmen, keiner, der für den armen Korstick in die Bresche sprang.

In der Runde, die vom Preis der Deutschen Schallplattenkritik initiiert und vom Beethoven-Haus und dem Beethovenfest gemeinsam veranstaltet worden war, nahmen die vier Kritiker kein Blatt vor dem Mund. Eine Stunde lang sprachen Büning und ihre Kollegen Christoph Vratz, Peter Cossé und Kalle Burmester über Aufnahmen dieses Zyklus" der neben Bachs Goldberg-Variationen als bedeutendstes Klavier-Variationenwerk der Musikgeschichte gilt, und überbrückten mehr als ein halbes Jahrhundert Interpretationsgeschichte.

Dabei kamen durchaus konträre Positionen zum Ausdruck. Vratz, der in diesem Phonographischen Quartett Herr über die eingespielten Klangbeispiele war, begann mit Friedrich Gulda.

Der Österreicher Cossé verstand dessen schnelle und beinahe aggressive Vorstellung des simplen Themas als "eine Ohrfeige für Diabelli". Burmester hielt dagegen, dass er es gar nicht schätze, wenn ein Pianist den Zyklus mit dem Daumen nach unten beginne. Gleichwohl hatte Gulda gute Karten, im Gesamtplacement ganz nach oben zu steigen. Mit Referenzen tat sich das Quartett aber insgesamt schwer: Arrau, Richter, Gulda und Sokolow wurden unter anderem genannt. Aber insgesamt gilt nach dieser unterhaltsamen und informativen Runde das gleiche Fazit, das Marcel Reich-Ranicki nach jeder Sendung nach Brecht zog: "Und wieder sehen wir betroffen den Vorhang zu und alle Fragen offen."

Nach den Ausführungen setzte sich der 23-jährige Igor Levit im erfreulich gut besuchten Kammermusiksaal an den Flügel und spielte Diabellis Walzer und die 33 folgenden Variationen: virtuos, intelligent und mit Herzenswärme. Und als Zugabe eine in ihrer Schlichtheit anrührende "Für Elise".

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