Lanxess-Arena in Köln Placebo - Schrubbende Gitarren und ein pochender Bass

Köln · Ich glaube, ich war noch nie in meinem Leben so ehrlich wie auf diesem Album!" - sagt Brian Molko über das siebte Studioalbum von Placebo, "Loud Like Love". Soll nach zwanzig rastlosen, exzessiven Bandjahren so etwas wie altersmilde Besinnung eingetreten sein?

 "Wir machen eine Rockshow": Placebo-Sänger und Gitarrist Brian Molko.

"Wir machen eine Rockshow": Placebo-Sänger und Gitarrist Brian Molko.

Foto: Thomas Brill

Statt Drogen grüner Tee, statt Leben am Limit onkelhafte Kritik an sozialen Medien? Manche Kritiker haben das so gesehen und sind bei der Textanalyse vorschnell bei den ersten Sätzen stehen geblieben. So ist "Rob The Bank" keine antikapitalistische Forderung sondern ein Stück über sexuelle Obsession. Die entscheidende Satz lautet: Egal, was du gemacht hast "take me home and make love!" (nimm mich mit nach Hause und mach Liebe mit mir!).

Wenn es noch einer weiteren Klarstellung gegen den Vorwurf aufkommender Altersmüdigkeit bedurfte, geben Placebo sie am Samstagabend in der mit 15 000 Besuchern ausverkauften Lanxess-Arena in Köln.

Die Antwort ist furios und atemlos. Von Beginn an schrubben die Gitarren, pocht der Bass wie ein lauter Herzschlag, knallen die Drums, als wollten sie alles, was ihrem Lebensweg entgegensteht, kurz und klein schlagen. Beim zweiten Stück "For What It's Worth" steht die Arena das erste Mal Kopf. Das mächtige Titelstück des aktuellen Albums "Loud Like Love" wird so wuchtig wie sein Versprechen gespielt. Bei "Every You Every Me" bebt der Saal. Placebo sind laut, cool, lässig und infernalisch.

Ein kurzes "Dankeschön" von Brian Molko reicht als Publikumsansprache. "Wir machen eine Rockshow, kein Ringelpietz mit Anfassen" ist die Botschaft. Gut so. Für ein Atemholen gibt es nur wenig Gelegenheit. Beim bedrohlichen "Space Monkey" lassen Placebo einen durchsichtigen Vorhang fallen, hinter dem sie wie in einem Glashaus spielen - vom Publikum entrückt und nah zugleich.

Den aggressiven, bedingungslosen Lebensüberschwang, das Chaos und den Schmerz, der entsteht, wenn man die vorgegebenen Grenzen des Lebens nicht akzeptieren will, das können Placebo wie kaum eine andere Band so überzeugend in harte Riffs und authentische Melancholie fassen.

Am Ende des Sets bauen sie ganz auf bedingungslose Härte. Unter den Höllenschlägen von Drummer Steve Forrest führen "Special K" und "The Bitter End" das fulminante Konzert zu seinem vorläufigen Ende. Als Placebo nach fast zwei Stunden ihren Auftritt mit dem Wunsch nach einer "Ambulance" ("Infrared") beenden, lassen sich alle zu Recht feiern. Nur einer nicht - Brian Molko. Er dreht an den Knöpfen des Effektgerätes, um den richtigen Ton bei der Rückkopplung zu treffen. Es ist die Musik, die im Vordergrund steht.

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