Köln Publikum feiert "Otello" als spektakuläres Gesamtkunstwerk

KÖLN · Es ist stets eine spektakuläre Eröffnung: Die tosende See, das harrende Volk, ungewisser Ausgang des Kampfes mit den Naturgewalten.

 Ungleiches Paar: Anne Schwanewilms (Desdemona) und José Cura (Otello).

Ungleiches Paar: Anne Schwanewilms (Desdemona) und José Cura (Otello).

Foto: Leclaire

Johannes Schaaf ("Momo") hat diese Szene vor 15 Jahren an der Königlichen Oper Stockholm mit filmischen Schnitten inszeniert, durch transparente Vorhänge und Windmaschinen bebt jetzt auch in der Oper am Dom die See. Was heute Schaaf und was Kölner Wolfspelz dieser Regieleistung ist, lässt sich nicht beurteilen.

Aber die Inszenierung hielt auch dank der prominenten Premierenbesetzung, die nicht zu Unrecht als "Fest der schönen Stimmen" fungierte, über die gesamte Länge kurzweilige Spannung; das Kölner Publikum feierte das Gesamtkunstwerk.

"Basierend auf einer Inszenierung von" war die diplomatische Umschreibung dieser Adaption, bei der selbst die 300 zum Einsatz kommenden Kostüme (Christoph Cremer) neu geschneidert wurden. Eike Ecker, Fachfrau für Neu- und Wiedereinstudierungen an der Kölner Oper, hatte besonders wegen der unflexiblen Interimsbühne und der besonderen akustischen Tücken bestimmt kein leichtes Spiel, aber zumindest im Orchestergraben assistierte ihr für actionreiches Tempo neben dem engagiert aufspielenden Gürzenich-Orchester ein wahrer Taifun am Dirigentenpult.

Will Humburg, der Mann für Verdi, kennt in seinem kraftvollen Tun auch gegen Ende der Feierlichkeiten zum Verdi-Jahr keine Ermüdungserscheinungen. Die Hände ragen unentwegt aus dem Orchestergraben hervor und durchwirbeln die Luft. Besonders in den großen Bildern mit dem hart geforderten, gut präparierten Chor (Andrew Olivant) leistet Humburg Schwerstarbeit, er setzt jeder Phrase nach, das verstärkt den dramatischen Impetus der Musik.

Durch zwei längere Pausen in der ersten Hälfte vergehen die ersten Akte wie im Fluge, die letzten beiden leben von der Kraft der Protagonisten. Und die bleiben in den nächsten Vorstellungen erhalten, das "Fest" geht also weiter. Einhelligen Zuspruch erfuhr der Jago des Publikumslieblings Samuel Youn, der seine Bosheit langsam wachsen ließ. So war Jagos berühmtes Credo längst nicht Höhepunkt der Rolle, sondern der schleichende, immer intimer drängende Prozess einer geistigen Vergiftung Otellos; natürlich auch dank des ausgefuchsten Librettos von Musikkenner Arrigo Boito.

Desdemona, das unschuldige Opfer, sang Anne Schwanewilms, wie Samuel Youn einst zum Karrierestart Mitglied des Kölner Opernstudios. Trotz ihrer großen, weltweit gefeierten Partien im Wagner- und Straussfach hielt die Sopranistin mit makelloser Technik - trotz einer leichten Indisposition - ihre Stimme durch Demut gebändigt, um nur einmal in einer einzigen Forte-Klage ihr dynamisches Potenzial aufblitzen zu lassen. Krasses Gegenteil dieser hohen Kunst lieferte José Cura, Stammgast in Köln, der sang, wie ihm der Schnabel gewachsen schien.

Edel besetzte Rollen wie der Cassio mit Xavier Moreno oder Emilia mit Adrianna Bastidas Gamboa rundeten dieses herrliche Musikerlebnis ab. Zur Feier des Tages überreichte im Anschluss Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach den Offenbach-Preis der Freunde der Kölner Oper an ein aktuelles Mitglied des Opernensembles: Alle wünschten der nordirischen Sopranistin Aoife Miskelly eine rosige Zukunft, die sie nun als offizielles Ensemblemitglied in Köln beginnen wird.

Dauer: 3 1/4 Stunden, davon 45 Minuten Pause. Nächste Vorstellungen: 20. (19.30 Uhr), 23. (19.30 Uhr), 25. (16 Uhr), 30. Mai (19.30 Uhr) und 1. Juni (18 Uhr)

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