Nike Wagner Publizistin und Beethovenfest-Chefin wird heute 70 Jahre alt

BONN · In der Familie Wagner fliegen gerade einmal wieder die Fetzen. Kurz vor ihrem für Ende August angekündigten Ausstieg aus der Leitung der Wagner-Festspiele in Bayreuth ereilte Eva Wagner-Pasquier (70) ein Hausverbot auf dem Grünen Hügel.

 Nike Wagner vor dem Beethoven-Denkmal auf dem Bonner Münsterplatz.

Nike Wagner vor dem Beethoven-Denkmal auf dem Bonner Münsterplatz.

Foto: Monika Nonnenmacher

Das wusste die Süddeutsche Zeitung zu berichten. Nun ist Katharina Wagner (37) schon früher, als es ihrer Halbschwester lieb ist, allein Herrscherin über das Bayreuther Erbe des berühmten Urgroßvaters.

Geschichte wiederholt sich manchmal. Zumal in Bayreuth. Auch Cousine Nike Wagner, die seit Anfang 2014 das Beethovenfest in Bonn leitet, gehört seit langem schon zu den Ausgesperrten. Die heute vor 70 Jahren, nur wenige Tage nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, in Überlingen am Bodensee geborene Tochter Wieland Wagners hat ihre Kindheit im Haus Wahnfried verbracht, wo sie mit ihren Eltern und Geschwistern lebte. Das Festspielhaus auf dem Grünen Hügel betrachtete sie in glücklichen Kindertagen als eine Art Abenteuerspielplatz, wie sie einmal sagte. In dieser Zeit entrümpelte ihr Vater gründlich die Wagner-Bühne und schuf die kühne Neu-Bayreuther Opernästhetik.

Nike Wagner war 21 Jahre alt, als ihr Vater am 17. Oktober 1966 starb. Dieser Tag markierte für sie und ihre drei Geschwister Iris, Wolf Siegfried und Daphne wie auch für ihre Mutter, die Tänzerin und Choreografin Gertrud Wagner, den Abschied von Bayreuth. Wolfgang Wagner, mit dem Wieland die Festspiele gemeinsam nach dem Krieg wieder aufgebaut hatte, sei gleich mit dem Zollstock angerückt, erinnerte sich Nike Wagner später, habe die Wohnung ausgemessen und Miete von den Hinterbliebenen verlangt, die sie aber nicht aufbringen konnten. Seither regierte Wolfgang bis zu seinem Tode 2008 allein in Bayreuth - mit der 1973 als Träger der Festspiele installierten Richard-Wagner-Stiftung im Rücken.

Nike Wagner studierte Musik-, Theater- und Literaturwissenschaft in Berlin, Chicago, Paris und Wien und promovierte über "Karl Kraus und die Erotik der Wiener Moderne". Sie machte erfolgreich Karriere als Kulturwissenschaftlerin und Publizistin, schrieb unter anderem natürlich auch über den Wagner-Clan. 2004 dann wagte die damals bereits 59-Jährige den Schritt ins Kulturmanagement, als sie die Leitung des Kunstfestes Weimar übernahm. In Anlehnung an einen Klavierzyklus ihres Ur-Ur-Großvater Franz Liszt taufte sie es "Pèlerinage" (Pilgerreise). Liszt lernte sie besonders wegen seines formal und harmonisch weit in die Moderne vorausweisenden Spätwerks immer mehr zu schätzen. Sie selbst hegte seit jeher eine große Vorliebe für die zeitgenössische Musik, ist bis heute daran interessiert, wie das Alte im Neuen fortlebt.

Aber Bayreuth hat Nike Wagner nie wirklich losgelassen. Eine Hass-Liebe. Ihre Tochter, die Tänzerin und Choreografin Louise Wagner, erinnerte sich im Eröffnungsvortrag zum aktuellen Endenicher Schumannfest, dass in ihrer Familie immer eher über Bayreuth "geschimpft" oder "kritisch-satirisch hergezogen" worden sei. Als es nach Wolfgang Wagners Tod dann um die Nachfolge in der Festspielleitung ging, warf auch Nike Wagner ihren Hut in den Ring. Zunächst gemeinsam mit Wolfgangs Tochter aus erster Ehe, Eva Wagner-Pasquier, dann, als diese sich mit Katharina verbündete, mit dem langjährigen Leiter der Salzburger Festspiele, Gerard Mortier. Wie man weiß, vergebens. Aber auch den jüngsten Querelen in Bayreuth schenkt sie noch größte Aufmerksamkeit. "Fifa ist überall", analysierte sie die Vorgänge spitz.

Auch Ludwig van Beethoven fühlt sie sich irgendwie familiär verbunden. Obgleich die Zweige und Äste ihres Stammbaumes keine direkte Berührung mit denen des Komponisten aus Bonn haben. Aber in der Villa Wahnfried hing ein Porträt Beethovens, und beide musikalischen Urväter - Wagner wie Liszt - waren große Verehrer seiner Musik.

Zudem hat Bonn einer extrem großzügigen Spende Liszts das Beethovendenkmal auf dem Münsterplatz zu verdanken. Dessen Einweihung 1845 unter Liszts künstlerischer Leitung wird als das erste Beethovenfest gezählt. Auch hier also sind die Familienbande unübersehbar. Und Nike Wagner macht sich daran, dieses Erbe in kreativ-fantasievoller Weise weiterzuführen.

Ärger auf dem Grünen Hügel in Bayreuth

Dem Dirigenten Kiril Petrenko ist es zu verdanken, dass die Musik beim Bayreuther "Ring" mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit erhielt wie die Regie von Frank Castorf. Aber in Bayreuth gilt's offenbar immer weniger der Kunst. Jetzt ist Petrenko in einer öffentlichen Stellungnahme auf Distanz zur Festspielleitung gegangen.

Petrenko: "Ich bin zutiefst irritiert in Bezug auf den unprofessionellen und völlig würdelosen Umgang der Bayreuther Festspiele mit der Festspielleiterin Eva Wagner-Pasquier und dem Darsteller Lance Ryan, den zwei Persönlichkeiten, die mein bisheriges künstlerisches Wirken in Bayreuth maßgeblich mitgetragen haben." Hintergrund ist ein angebliches Hausverbot für Eva Wagner-Pasquier, die sich zum 31. August auf eigenen Wunsch aus der Leitung der Festspielen zurückzieht, sowie das plötzliche Aus für Lance Ryan als Siegfried.

Die Rolle wird 2015 mit Stefan Vinke besetzt. Petrenko weiter: "Nur die Verantwortung und der Respekt meinen Kollegen in Bayreuth gegenüber, die ich nicht so knapp vor Beginn der Proben im Stich lassen kann, hält mich davon ab, meine Mitwirkung aufzukündigen." Möglicherweise spielt auch Dirigent Christian Thielemann eine Rolle in der Bayreuther Operette.

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) hatte am Freitag berichtet, dass die Gesellschafterversammlung der Festspiele die Freistellung Wagner-Pasquiers beschlossen habe, "damit sie nicht auf dem Hügel erscheine und der Tristan nicht gefährdet werde". Den Tristan dirigiert in diesem Jahr Thielemann, der seit 2010 einen künstlerischen Beratervertrag mit den Festspielen hat. Die SZ mutmaßt nun, das Hügelverbot sei von Thielemann gewünscht.

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