Feine Sahne Fischfilet in Düsseldorf Punk mit Botschaft

Düsseldorf · 7500 Fans in der Mitsubishi Electric Halle jubeln der Punkband aus Mecklenburg-Vorpommern zu.

 Die Zeiten als Einheizer sind für die Toten Hosen und die Broilers sind für die 2007 gegründete Band aus Mecklenburg-Vorpommern definitiv vorbei. Jan „Monchi“ Gorkow, Sänger der Band Feine Sahne Fischfilet.

Die Zeiten als Einheizer sind für die Toten Hosen und die Broilers sind für die 2007 gegründete Band aus Mecklenburg-Vorpommern definitiv vorbei. Jan „Monchi“ Gorkow, Sänger der Band Feine Sahne Fischfilet.

Foto: Thomas Brill

Für diese Rezeptur braucht es weder haut- und grätenfreie Stücke von aquatisch lebenden Wirbeltieren mit Kiemen, noch den fetthaltigsten Teil der Milch. Aber: zwei Lead-Stimmen, zwei Trompeten, ein Bass, eine Gitarre und ein Schlagzeug, Jan „Monchi“ Gorkow, Christoph Sell, Jacobus North, Max Bobzin, Kai Irrgang und Olaf Ney, 14 Stücke, acht Zugaben, 7500 begeisterte Fans. Beträgt die Zubereitungszeit zwei Stunden, wie Freitag in der Mitsubishi Electric Halle in Düsseldorf, gelingt das Feine Sahne Fischfilet perfekt.

Musikalisch eher Grob- als Feinkost: Schrabbelnd, sägend und dreschend, laut, schnell und druckvoll. Punkrock mit Ska-Einsprengseln, der stellenweise an die Toten Hosen erinnert, als die jung waren. Schon beim ersten Stück „Zurück in unserer Stadt“ fliegen die Bierbecher. Frontmann Gorkow, drei Zentner auf knapp zwei Meter verteilt, feuert die Menge an, reißt die Arme hoch, präsentiert seinen majestätischen Buddha-Bauch. „Seit Wochen fiebern wir auf diesen Auftritt zu – vorhin sind wir hier rum gelaufen – was für eine Riesenhalle“, sagt er, „wir haben hier wunderschöne Abende erlebt, mit den Broilers und den Toten Hosen, so 30, 40 Minuten lang – aber heute gehört die Halle uns!“ Die Zeiten als Einheizer sind für die 2007 gegründete Band definitiv vorbei.

„Alles auf Rausch“ ist Programm. Wortwörtlich. Wenn es im Text heißt „Vor der Bühne bunter Rauch“ zünden die Punk-Ultras ihre Fackeln. Fette rote und grüne Schwaden quellen empor, es riecht nach Schwefel. Später kommen die Securityleute hinter der Absperrung kaum nach, die Massen der Crowd-Surfer einzusammeln, die nach dem Ritt auf dem Händemeer anlanden. Kaum haben sie wieder festen Boden unter den Füßen spurten sie durch den Graben zurück ins Publikumsgewoge. Bedeckt von einer Gischtschicht aus Schweiß, voll mit Endorphinen, die Gesichter in Spiegel purer Glückseligkeit verwandeln.

Es wird noch mehr Glückseligkeiten geben. Trompeter Max Bobzin, der als Crowdboarder auf einer geflügelten Banane Passagiere mit an Bord nimmt. Die PET-Flaschen mit Bier, die Gorkow immer wieder ins Publikum wirft, eine Schnapsdusche mit dem Feuerwehrschlauch.

Feine Sahne Fischfilet aufgrund solcher Aktionen oder von Mitgröl-Songs wie „Ich mag kein Alkohol (nur das Besoffensein)“ oder „Komplett im Arsch“ als reine Mehr-Spaß-ins-Glas-Combo abzutun, hieße jedoch, ihnen Unrecht zu tun. Die Punker aus Mecklenburg-Vorpommern sind auch eine politische Band. Die immer wieder Stellung gegen Rechts bezieht, die ins Fadenkreuz des Verfassungsschutzes geriet und nach der von zahlreichen Protesten begleiteten Absage der Stiftung Bauhaus trotzdem ein Konzert in Dessau gab – in einer Brauerei.

In Düsseldorf fordert der Frontmann die Fans auf, den Benefiz-Stand für die zivile Seenot-Rettungs Mission „Sea Watch e.V.“ leer zu kaufen oder Neonazis aktiv Widerstand bei Demos entgegenzusetzen. Das Stück „Angst frisst Seele auf“ widmet er Katharina König-Preuss, in Thüringen Mitglied des NSU-Untersuchungsausschusses, über die eine NS-Band ein Lied gemacht hat, „das drei Minuten davon handelt, wie man eine Freundin von uns abschlachtet“. Und „Suruc“ über das Attentat in der türkischen Stadt ist „für alle Menschen, die sich da unten den Wichsern von der IS entgegenstellen. Für das Leben und gegen den Tod.“ Da fliegen keine Becher mehr. Und die Surfer-Fänger der Security haben Verschnaufpause. Für kurze Zeit.

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