Auftritt von John Patitucci und Viktoria Tolstoy Pure Emotion beim Jazzfest im Bonner Post Tower

Bonn · Eigentlich kann John Patitucci nicht von dieser Welt sein. Nicht mit diesen Fingern. Zusammen mit seinem Electric Guitar Quartet trat der Bassist beim Jazzfest Bonn im Post Tower auf. Nach ihm folgte Viktoria Tolstoy.

 Warmer Sopran: Die schwedische Sängerin Viktoria Tolstoy beim Jazzfest.

Warmer Sopran: Die schwedische Sängerin Viktoria Tolstoy beim Jazzfest.

Foto: Thomas Kölsch

Was der 57-Jährige mit seinem Bass anstellt, mit welcher Leichtigkeit er über die Saiten jagt, ist schlichtweg atemberaubend. Während des Jazzfest-Doppelkonzerts im Post Tower sorgt der Ausnahmemusiker denn auch für ungläubige Blicke, als er zusammen mit seinem Electric Guitar Quartet genüsslich komplexe und zugleich energisch rockende Eigenkompositionen mit Stücken mischt, die sonst höchstens von Tastenvirtuosen beherrscht werden. „Meine Gitarristen sind einfach so gut“, sagt Patitucci mit Blick auf Adam Rogers und Steve Cardenas voller Stolz. Stimmt. Er aber auch.

Gleich zweimal verbeugt Patitucci sich vor Thelonius Monk, der ihm und seinem Bruder die Augen für den Jazz geöffnet habe, nimmt sich das rhythmisch vertrackte „Four In One“ ebenso vor wie das exquisite „Ugly Beauty“ – bei Letzterem beginnt er sogar ganz alleine, mit phänomenalen Läufen und bewundernswerter Sicherheit. Die später hinzustoßenden Gitarren? Sind nur Verzierung. Es geht eben auch ohne. Andererseits bringen Rogers und Cardenas mit ihrem brillanten Spiel noch weitere Farben mit ein, während der grandiose Schlagzeuger Nate Smith die drei Saitenzauberer beständig anfeuert. Klasse.

Während sich Patitucci und seine Kollegen vorwiegend anspruchsvollem Jazzrock widmen, kommt Viktoria Tolstoy in der zweiten Hälfte des Abends weitaus gefälliger daher. Die schwedische Sängerin mit der blonden Mähne widmet sich in weitester Linie Filmsongs, die stilistisch durchaus abwechslungsreich arrangiert sind, mitunter aber ein wenig seicht wirken.

Vor allem die aus den Tiefen der Pop-Schlager-Archive hervorgekramten Titel wie Sarah McLachlans „Angel“ bestechen eher durch eine gut gemeinte Dosis Kitsch und Melodramatik als durch innovative, jazzige Ansätze. Andererseits lassen sowohl die Vielseitigkeit als auch der warme Sopran Tolstoys beim Publikum keine Missstimmung aufkommen. Und die ein oder andere Interpretation macht auch richtig Lust auf mehr, sei es die völlig auf Pathos verzichtende Version von Anni Lennox' „Lovesong For A Vampire“ oder das mutige „New World“, das Björk für Lars von Triers „Dancer in the Dark“ geschrieben hat und das Tolstoy mit viel Dynamik und Emotion darbietet.

Auch ihre Band ist in diesen Momenten ganz bei ihr: Gitarrist Krister Jonsson verzichtet dann auf seine Solo-Ausflüge, Bassist Mattias Svensson baut völlig unaufgeregt das Fundament und Drummer Rasmus Kihlberg unterfüttert dieses. Das Publikum ist begeistert und feiert das Quartett wie zuvor schon das von Patitucci mit großem Jubel.

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