Rätselhafte Dunkelheit des Körpers

Mit dem "Butoh-Tanz" lehnte sich der Japaner Tatsumi Hijikata gegen die westliche Tradition des modernen Tanzes auf - In ihrer letzten Schau gibt die Bonner ifa-Galerie Einblick in diese Kunstform

  Tatsumi Hijikata  bei "Theater der Welt", 1987 in Stuttgart.

Tatsumi Hijikata bei "Theater der Welt", 1987 in Stuttgart.

Foto: ifa

Bonn. Wenn sich der Körper vom Geist löst und sich zum unbekannten Objekt entwickelt, dann ist der Weg in die Tiefen des dunklen Körpers bereitet. Im "Butoh", dem japanischen Tanz der Dunkelheit, ist dieser Zustand das zentrale Element und die höchste Erfahrung. Die Bonner ifa-Galerie gibt in "Butoh, Tanz der Dunkelheit" einen Einblick in diese Kunstform, mit der im Japan der 60er Jahre die künstlerische Moderne eingeleitet wurde.

Die Retrospektive ist gleichzeitig die letzte Ausstellung der ifa-Galerie, bevor sie Ende Juni wegen Haushaltskürzungen die Pforten schließen muss. Mit einem illustren Rahmenprogramm, inklusive einer Butoh-Live-Performance am 5. Mai in der Kunst- und Ausstellungshalle, lassen die ifa-Mitarbeiter ihren letzten Streich angemessen ausklingen.

Zu sehen gibt es in der Galerie Schwarz-Weiß-Fotografien und Filme von Auftritten des japanischen Tänzers, Schriftstellers und Avantgardisten der 60er und 70er Jahre Tatsumi Hijikata (1928-1986), der die Entwicklung des Butoh-Tanzes entscheidend geprägt hat. "Wenn die Europäer sprechen, folgen sie mit Logik dem geraden Weg ihrer Gedanken. Und so tanzen sie auch, mit geraden, gestreckten Gliedern," sagte Tatsumi Hijikata beim ersten Butoh-Festivals 1985 in Japan. "Wir Japaner aber (. . .) mit unseren durch harte Arbeit verkrümmten oder versteiften Beinen, wir lenken unsere Schritte nach Hause." Nach Hause bedeutete für ihn ins dunkle Innere des Körpers.

Düstere Gesichtsausdrücke, verdreckte Körper, androgyne, abgemagerte Gestalten und unästhetische Bewegungen - die Fotografien und Filmausschnitte von Hijikatas Auftritten und Choreographien wirken zunächst ein wenig abstoßend. Da sie aber jede Menge produktive Energie und schöpferische Kraft ausstrahlen, sind sie gleichermaßen faszinierend. Der in Modern Dance und Ausdruckstanz ausgebildete Hijikata schuf eine völlig neue Darstellungsform und lehnte sich damit gegen die westliche Tradition auf. In den 60er Jahren beginnt er, den Körper nicht mehr als abstraktes Werkzeug ästhetischer Bewegungen zu begreifen, sondern versucht seine dunklen, verborgenen Schichten zum Vorschein zu bringen.

Johannes Meinhardt, Kurator der Ausstellung, beschreibt Hijikatas'' Ansatz als etwas, das auf der psychischen Ebene nicht mehr zu begreifen ist. Mit dem Beispiel eines schlafenden Körpers illustriert er das Wesen des Tanzes: "Ein schlafender Körper ist nicht bewusst anwesend, lebt aber offensichtlich. Die Tatsache, dass er in diesem Zustand nicht mehr als kontrollierbares Instrument funktioniert, kann unheimlich sein. Und genau an diesem Punkt beginnt die Dunkelheit des Körpers." Dieser wird beim Butoh an den Rand der Krise getrieben: Mit maßloser Anstrengung, beängstigendem Zittern oder in völliger Erstarrung schalten die Tänzer die Kontrolle des Bewusstseins aus und tauchen ab in die Tiefen der körperlichen Dunkelheit.

IfA-Galerie, Willy-Brandt-Allee 9; bis 23. Mai. Di-Fr. 12-18, Sa, So 12-17 Uhr. Informationen zum Rahmenprogramm im Internet: www.ifa.de.

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