Tanzsolofestival in Bonn Reflexionen über die Gewalt

Bonn · Youness Aboulakoul präsentiert „Today is a Beautiful Day“ im Theater im Ballsaal. Das beginnt mit einem bildstarken Auftakt.

 Youness Aboulakoul in „Today is a Beautiful Day“ im Theater im Ballsaal.    Youness Aboulakoul in „Today is a Beautiful Day“ im Theater im Ballsaal.

Youness Aboulakoul in „Today is a Beautiful Day“ im Theater im Ballsaal. Youness Aboulakoul in „Today is a Beautiful Day“ im Theater im Ballsaal.

Foto: Youness Atbane

Ist es ein Schutzhelm oder ein Folterinstrument? Eine silbern glänzende Kugel umschließt den Kopf des Mannes, der im Halbdunkel die Bühne betritt. Das vibrierende Brummen des elektronischen Raumklangs wird lauter, während er langsam die erste Schale abnimmt. Mühsam entledigt er sich weiterer vier halbkugelförmiger Metallteile und legt sie vor sich auf den Tisch.

Es ist ein starkes Bild, mit dem die Performance „Today is a Beautiful Day“ von Youness Aboulakoul beginnt. Der in Casablanca geborene, in Paris lebende Tänzer und Choreograf hat sich das Stück selbst auf den Leib geschrieben und auch den Sound dazu komponiert. In Spanien und im frankophonen Bereich hat er mit diversen renommierten Compagnien gearbeitet. Nun folgte auf Einladung des Internationalen Bonner Tanzsolofestivals im am Sonntagabend recht gut besuchten Theater im Ballsaal die deutsche Erstaufführung seines ersten Solos.

Spurensuche mit Muskelspannung

Aboulakoul beschäftigt sich mit dem Thema Gewalt. Ohne direkte physische Konfrontation, eher als Reflexion über die flüchtigen unterschwelligen Erfahrungen, die sich in Körper und Psyche einnisten und weiter schwingen. In einem Interview berichtete er 2020, dass er jeden Morgen mit dem Gefühl beginne, einen schönen Tag zu erleben. Das erinnert ein wenig an Becketts Drama „Oh les beaux jours“, auf Deutsch bekannt als „Glückliche Tage“. Hier nicht wie Winnie fixiert in einem Erdhügel, sondern in einer Kopfbedeckung, die die sinnliche Wahrnehmung reduziert. Vorsichtig lässt der Performer nach der Befreiung seines Gesichts die Schalen vom Tisch auf den Sandboden gleiten, stellt sie umgekehrt als Schüsseln auf und bewegt sich zunehmend entkrampft zwischen Lichtsäulen und fest gespannten Seilen. Hip-Hop-Elemente und marokkanische Klänge verbinden sich zu einer Spurensuche aus Muskelspannung, symbolischen Gesten und Selbstvergewisserung. Tänzerische Virtuosität steht dabei weniger im Vordergrund als die auf spielerische Veränderbarkeit von Zuständen zielenden Aktionen.

Das Ende der 45-minütigen Vorstellung mutet an wie die trotzige Futur-II-Behauptung: Es wird ein glücklicher Tag gewesen sein. Der Akteur tänzelt nun mit goldfarbener Jacke leichtfüßig durch sein kleines Universum. Auf einem Kuchen entzündet er Wunderkerzen. Die zusammengerückten LED-Säulen schimmern bunt, dazu ertönt Louis Armstrongs „What a Wonderful World”. Eine ironische Volte in die Kitsch-Seligkeit oder ein utopisches Hoffnungssignal?

Anders als im gedruckten Festivalprogramm findet der Online-Vortrag der Berliner Professorin Sandra Noeth über das Solo im zeitgenössischen Tanz (auf Englisch) bereits am 7. März statt. Anmeldungen sind unter www.tanz-in-bonn.de noch möglich.

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