Konzert in Ahrweiler Reiche Dame beschenkt Bettler

AHRWEILER · Der deutsche Folkmusiker Tom Kannmacher trägt in der Alten Synagoge Volkslieder aus der Eifel vor.

 Tom Kannmacher singt Lieder aus der Tiefe der Zeit.

Tom Kannmacher singt Lieder aus der Tiefe der Zeit.

Foto: Martin Gausmann

Volkslieder sind für Tom Kannmacher "Lieder aus der Tiefe der Zeit". Also nicht etwa Texte und Melodien aus der Feder eines Dichters oder Komponisten, die sich weit und lange übers Land verbreitet haben, sondern Lieder, die im Volk entstanden und von diesem über Jahrhunderte mündlich weitergegeben und erst spät aufgeschrieben worden sind. Eine ungewöhnliche Kostprobe dieses Liedschatzes gab Kannmacher am Freitagabend vor einem kleinen, aber interessierten Publikum in der Alten Synagoge in Ahrweiler.

Sein Instrument ist die Gitarrenlaute, auch Bastardlaute genannt, wie sie die Wandervögel für sich entdeckt hatten. Zur Abwechslung greift Kannmacher zu den Northumbrian Smallpipes, einem Instrument aus der Gruppe der Sackpfeifen (Dudelsack), das in Northumberland, im Norden Englands, an der schottischen Grenze, beheimatet ist. Über die Beschäftigung mit traditionellen Liedern aus Europa und Übersee sowie über 40 Jahre lang mit irischer Musik kam er zum deutschen Volkslied. "Ich wollte wissen, wie es sich anfühlt, wenn Lieder erklingen, die hier gewachsen sind", begründete er sein Engagement für die Gesänge speziell aus der Eifel und Lothringen, die er jetzt in der Synagoge vortrug.

Zu Gehör kamen seltene, melodisch klangschöne Balladen, von denen manche vor Hunderten von Jahren entstanden und erst vor etwa 100 Jahren aufgeschrieben worden sind. Die erzählen vom oft derben Alltag der Menschen, der vermischt wird mit Sagenhaftem.

Der Grundton ist heiter und nur manchmal moralisierend. Wie etwa das Lied vom Wassermann, das allerdings aus Schlesien stammt und im 18. Jahrhundert aufgeschrieben worden ist: Der Wassermann zieht die schöne Bauerntochter in die Tiefe. Er hält sie fest, und sie haben in sieben Jahren sieben Kinder. Als die Mutter vor der Frage steht, ihre Kinder (körperlich) durchzuteilen und wieder im Dorf zu leben oder in den See zurückzukehren, entscheidet sie sich für ihre Kinder und das Leben unter Wasser.

Auftakt war das Lied vom zerbrochenen Wasserkrug, das bereits für 1530 nachgewiesen ist. Der Krug zerbricht beim Gang zum Brunnen, weil das Mädchen sich durch die jungen Burschen ablenken lässt. Seitens der Bauersfrau hat das heftige Prügel zur Folge. Das Blatt wendet sich allerdings, als das Mädchen das Verhältnis der Bauersfrau zum Knecht anspricht.

400 Jahre alt ist das Lied vom Bettelmann, dem sich die schöne Dame hingibt, weil sie angeblich nichts anderes als ihren Körper zu geben hat. Um eine schöne Frau dreht sich auch die Geschichte vom König, der ein Auge auf die Frau des Marquis geworfen hat und diese für sich reklamiert. Kleider machen Leute: Als der Edelmann den Sohn des Schäfers gut gekleidet antrifft, will er das nicht dulden und wirft ihn in den Kerker. Nachdem aber der Schäfer für die Freilassung des Jungen 300 Lämmer bietet, wird der Edelmann hellhörig, lässt ihn nicht nur frei, sondern gibt ihm auch seine Tochter zur Frau.

Man sieht, die Mentalität der Menschen hat sich in Hunderten von Jahren wenig geändert. Dank der schönen Melodien und der oft witzigen Texte erlebten die Besucher des Konzerts einen vergnüglichen Abend.

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