Kraftwerk im Kölner Palladium Reise zurück in die Zukunft

KÖLN · Reif fürs Museum ist die Düsseldorfer Band Kraftwerk schon lange. Anfang des Jahres erst ließen sie ihre acht besten Alben eines nach dem anderen in acht Konzerten in der Berliner Nationalgalerie Revue passieren.

 Kraftwerker: Ralf Hütter, Fritz Hilpert, Henning Schmitz und Falk Grieffenhagen stehen im Kölner Palladium.

Kraftwerker: Ralf Hütter, Fritz Hilpert, Henning Schmitz und Falk Grieffenhagen stehen im Kölner Palladium.

Foto: Thomas Brill

Im New Yorker Museum of Modern Art und in der Londoner Tate Gallery wurden die deutschen Klangvisionäre und ihr "Katalog" schon 2012 ausgiebig gefeiert. Doch trotz musealer Weihen ist die Musik der stilistisch bahnbrechenden Band, deren elektronische Beats sozusagen die Urformel sowohl des Hip-Hop wie der Techno-Musik bildeten, kein bisschen museal verstaubt.

Die Musik funktioniert immer noch sehr gut auch in ganz profanen Popkonzerthallen wie dem Kölner Palladium, dessen industrielle Architektur die Kulisse für zwei mit jeweils 4000 Besuchern ausverkaufte Konzerte am Mittwoch und Donnerstag bildete. Und sie kann sich kann sich neben dem grafischen 3D-Licht- und Videodesign durchaus behaupten.

"Ladies and Gentleman, heute Abend: die Mensch-Maschine", begrüßt eine ausdruckslos blubbernde Computerstimme die Menschen im Saal, und die Mensch-Maschine beginnt zu zählen: "1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8" dröhnt es hart und kalt mechanisch aus den Lautsprechern.

Zugleich schwebt und schießt die Ziffernfolge durch den dreidimensionalen Raum, verharrt über den Köpfen der mit 3D-Brillen ausgestatteten Zuschauer und verschwindet wieder. Die vier Kraftwerk-Regisseure, die in ihren mit Lichtgittern versehenen Neoprenanzügen an vier optisch identischen Keyboards werkeln, wirken zugleich futuristisch und wie mythische Wesen, Demiurgen einer elektronischen Parallelwelt sozusagen.

Und die zeigt sich im Palladium beeindruckend vielfältig, zu den Klängen aus "Computerwelt" schiebt sich der altertümliche Rechner vom Cover in die Publikumsreihen. In "Spacelab" sehen wir durch ein Panoramafenster einer Raumkapsel auf die Erde, ein Satellit rast mit der Antennenspitze voran wie ein Speer in die Publikumsreihen, später umkreist ein Ufo noch den Kölner Dom.

Aber es sind eben nicht nur solche spektakulären Momente, mit denen Kraftwerks Gesamtkunstwerk beeindruckt. Immer wieder spielt das Quartett ironisch mit seinen Motiven. Der Klassiker "Autobahn" ist wie ein Duell zwischen einem VW-Käfer (dessen Kennzeichen D-KR 70 für das Gründungsjahr der Band steht) und einer fetten Mercedes-Karosse (deren Kennzeichen D-KR 74 das Jahr des kommerziellen Durchbruchs eben mit "Autobahn" markiert). Ernste Botschaften bietet Kraftwerk auch: In den Hit "Radio-Aktivität" hat neben Sellafield und Tschernobyl jetzt auch Fukushima Eingang gefunden.

Ganz großes Kino ist "Tour de France" vom gleichnamigen Album, die Beine der Radfahrer auf der Leinwand kreisen mit mechanischer Präzision, die Loops aus den Lautsprecher tun es ihnen gleich. Der links außen stehende Ralf Hütter, einzig noch verbliebenes Ur-Kraftwerk, war immer schon begeisterter Radfahrer und ist in seinem Leben selbst viele Rennen gefahren.

In der Tour-de-France-Suite erlebt man Sportler wie ihn als perfekte "Mensch-Maschinen" (ein Stück, das in der Anfangsphase des Konzertes ebenfalls erklang). Zum Schluss rast der Trans Europa Express über die Leinwand und durch den Saal, an dessen Endstation das große Kling-Klang-Logo der Kraftwerker leuchtet.

In der ersten Zugabe stimmen vier Kraftwerk-Avatare in roten Hemden "Roboter" an, bevor die echten sich mit fünf weiteren Stücken verabschieden. Zum Schluss verlassen Videooperator Falk Grieffenhagen sowie die drei Klangtüftler Fritz Hilpert, Henning Schmitz und Ralf Hütter einzeln mit einer Verbeugung die Bühne. Die Reise zurück in die Zukunft ist zu Ende.

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