"Der Ring des Nibelungen" Rheinfahrt auf der "MS Wodan"

Düsseldorf · Regisseur Dietrich W. Hilsdorf schließt seinen sehenswerten Düsseldorfer „Ring“ mit der Inszenierung der „Götterdämmerung“ ab. Das Publikum feiert vor allem die musikalische Seite der Aufführung.

Das Ende naht: (v.l.) Siegfried (Michael Weinius), Brünnhilde (Linda Watson), Gutrune (Sylvia Hamvasi) und Gunther (Bogdan Baciu).

Das Ende naht: (v.l.) Siegfried (Michael Weinius), Brünnhilde (Linda Watson), Gutrune (Sylvia Hamvasi) und Gunther (Bogdan Baciu).

Foto: Hans-Jörg Michel

Bei diesem „Ring“ darf sich der rheinische Wagner-Fan ganz zu Hause fühlen: Mit der älteren Dame, die dort am Rolandsecker Ufer ihr Kännchen Kaffee beim Kellner mit den Worten „Das Gleiche wie immer, bitte“ bestellt, teilen wir den Blick auf den Drachenfels, den Rolandsbogen und die Insel Nonnenwerth, vertraute Orte alles. Bald treffen auch schon zwei Freundinnen ein, um das Kaffeekränzchen, bei dem nicht weniger als das Schicksal der Welt auf der Tagesordnung steht, zu komplettieren: „Wisst ihr, wie das wird?“

Bei den drei Damen vom Rheinufer handelt es sich um die Nornen, die Regisseur Dietrich W. Hilsdorf im letzten Teil des neuen Düsseldorfer „Rings“ vor John Charles Robinsons auf Bühnenvorhanggröße kopierter Rheinsicht aus dem Jahre 1857 platziert, um dort – wie immer – die Schicksalsseile zu knüpfen. Später wird Hilsdorf den Fluss in die Gegenwart holen, mit der Projektion von einer Rheinfahrt vor den Kulissen Düsseldorfs. Und im dritten Akt ziehen die Rheintöchter eine Brecht-Gardine vor die Kulisse, auf der einige (noch) rauchende Schlote Duisburgs zu sehen sind. An diesem Ort wird Hagens Speer Siegfried in den Rücken treffen.

"Endspiel auf dem Rhein"

Den letzten Teil von Wagners „Ring des Nibelungen“ titelt Hilsdorf „Endspiel auf dem Rhein“, wobei er es nicht bei dem fast ein wenig provinziell anmutenden Lokal- und Regionalkolorit belässt, sondern nahezu die gesamte Geschichte vom Ende der Götter (die in der „Götterdämmerung“ ja gar nicht mehr auf dem Besetzungszettel stehen) auf einem rostigen Schiff, der „MS Wodan“, sich zutragen lässt. Das massive Requisit ist nicht fest im Bühnengrund verankert, Bühnenbildner Dieter Richter hat es so gebaut, dass es sich bewegen lässt. Für Hagens Wacht schwenkt es einmal ganz nach links. Dann hat Michael Kraus als Alberich, der Erzeuger und Einflüsterer des schläfrig dämmernden Sohnes, einen gespenstisch-surrealen Auftritt.

Am Anfang aber sitzt auf der „MS Wodan“ Brünnhilde vor einem kümmerlich kleinen Weihnachtsbäumchen und strickt. Ein biederes, bedrückendes Familienidyll, dem ihr Gefährte Siegfried schon bald auf der Suche nach irgendwelchen Abenteuern entflieht. Musikalisch lassen die Sopranistin Linda Watson und der Tenor Michael Weinius ihr beeindruckendes Format erkennen. Das Duo lässt kaum Wagner-Wünsche offen.

Die Abenteuersuche führt Siegfried geradewegs in die Arme der schrecklichen Gibichungen-Familie, mit dem von Bogdan Baciu großartig gesungenen Loser-König Gunther, seiner drogensüchtigen Schwester Gutrune (stimmschön: Sylvia Hamvasi) und deren kriminell-manipulativem Halbbruder Hagen, der die Unglücksfäden zieht. Der Bassist und Star des Abends, Hans-Peter König, verleiht ihm eine ins Mark treffende Wucht.

Hilsdorf greift aus den vorangegangenen Teilen der Tetralogie durchaus einige Motive auf. Am offensichtlichsten der Revuebogen mit den bunten Lichtern, aber auch die Reverenz an das untergehende industrielle Zeitalter wird erneut sichtbar, im „Siegfried“ zuletzt die Metamorphose des Drachen zur eisernen Dampflok, in der „Götterdämmerung“ nun das Schiffswrack. Das ist dekorativ, wirklich originell neu aber ist der kapitalismuskritische Bezug als übergreifende Klammer nicht. In Hilsdorfs „Endspiel“ wird die Geschichte allerdings um eine böse politische Dimension erweitert, wenn der tödlich getroffene Siegfried im Schiffsbauch verschwindet und die rotbefrackten Stadtsoldaten (Kostüme: Renate Schmitzer), die zuerst bei der karnevalistisch aufgeheizten Gibichungen-Doppelhochzeit an Deck kamen, dem toten Recken feierlich unterschiedliche deutsche Nationalflaggen vom Doppeladler des Deutschen Bundes über Hakenkreuz-Flagge bis zum Schwarzrotgold mit und ohne Hammer und Zirkel hinterherwerfen. Mit Siegfried wird die gesamte deutsche Geschichte begraben. Und wenn zuletzt eine weiße Fahne folgt, mag man an den Düsseldorfer Heine denken: „Deutschland, wir weben dein Leichentuch“. Danach ist Brünnhildes apokalyptisches Feuer eigentlich nicht mehr vonnöten. In Düsseldorf züngelt es auf Lagerfeuerniveau.

Dirigent Axel Kober lässt Wagners Musik glühen

Die Musik dazu hingegen kocht auf großer Flamme. Axel Kober lässt sie glühen, achtet zugleich auf die Differenzierung der Wagner'schen Klangfarben, der Dirigent erweist sich als Sängerbegleiter mit sensiblem Feintuning, ist emotional und, wo es sein muss, zupackend. Am Premierenabend saß zwar noch nicht jeder Einsatz perfekt, aber das lässt sich richten.

Für musikalisch hohes Niveau sorgten auch der von Gerhard Michalski einstudierte Chor sowie die Nornen (Susan Maclean, Sarah Ferede, Morenike Fadayomi) sowie die Rheintöchter (Anke Krabbe, Kimberley Boettger-Soller, Ramona Zaharia). Und vor allem Katarzyna Kuncio als Waltraute. Das Publikum jubelte Sängern und Musikern zu, während Hilsdorf auch viele Buhrufe hinnehmen musste.

5 1/2 Std. Dauer. Karten und alle Düsseldorfer und Duisburger Termine im Internet unter operamrhein.de.

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