Kammerjazz in der Bank Richie Beirach, Gregor Huebner und Lyambiko begeistern beim Jazzfest

BONN · Brillantes Klavier- und virtuoses Geigenspiel, dazu atmosphärisch dicht vertonte Liebesbriefe: Richie Beirach und Gregor Huebner sowie die Band Lyambiko ernten Applaus im Volksbank-Haus beim Jazzfest in Bonn.

Das war für den renommierten Jazzpianisten und Komponisten Richie Beirach eine neue Erfahrung: Ein Konzert in einer Bank. Das sei wirklich unglaublich, kommentierte er launig während seines Auftritts mit Komponist und Violinist Gregor Huebner am Sonntagabend im sehr gut besuchten Volksbank-Haus beim Jazzfest Bonn. Der Wirkung des feinfühligen Kammerjazz von Beirach und Huebner tat die vermeintlich ungewöhnliche Umgebung jedoch keinerlei Abbruch.

Die beiden musizieren seit Jahren in verschiedenen Projekten und auch als Duo zusammen. Diverse CDs haben sie eingespielt. In Bonn gab es jedoch laut Ankündigung von Moderator Thomas Heyer „eine Welturaufführung“ von „Kompostionen, die so noch nie zu hören waren“, mitgeschnitten von der Deutschen Welle.

Eigenkompositionen von Beirach und Huebner sowie Jazz-Standards dominierten das Programm. Bereits vorhandenem Material durch gekonnte Improvisation einen eigenen Charakter zu geben, ist eine Grundqualität im Jazz. Großartig gelang das zum Beispiel bei „You don‘t know what love is“, wobei sich Beirach explizit auf Billie Holidays Interpretation dieses Standards bezog.

Beirachs brillanter Klavierpart und Huebners virtuoses Geigenspiel (auf elektronisch verstärkter Violine) ergänzten sich aufs Beste. Ein wahrhaftiger Dialog hervorragender Instrumentalisten, der sich bei aller Komplexität der Musik doch immer auch intuitiv nachvollziehen ließ. Huebners Kompostion „Ground Zero“ und Beirachs „Sunday Song“ belegten das beeindruckend: beklommene End-zeitstimmung hier, sommerlich-sonnige Leichtigkeit dort – beide Erfahrungen wurden für die Zuhörer fassbar in Töne umgesetzt.

Eigene Songs und Neuinterpretationen von Klassikern

Der Band um die gleichnamige Sängerin Lyambiko gelang es nach der Pause dann fast nahtlos, an die atmosphärische Dichte des ersten Konzertteils anzuschließen. Liebesbriefe der Großeltern ihres Mannes, gefunden in dessen Elternhaus, inspirierten Lyambiko zu ihrem aktuellen Album „Love Letters“: eine Sammlung eigener Songs von Sängerin und Band sowie Neuinterpretationen von Klassikern wie „Close Your Eyes“, „Stardust“ oder „Someday My Prince Will Come“.

Lyambikos manchmal leicht angerautes Timbre, ihre markante, die Tiefen flexibel auslotende Stimme, und auch der mitreißende und abwechslungsreiche Sound ihrer superben Bandmitglieder Martin Auer (Trompete), Marque Lowenthal (Klavier), Robin Draganic (Bass) und Tilman Person (Schlagzeug) ließen diese Liebeslieder funkeln. Das galt erst recht für eigene Kompositionen wie etwa das berührende „Love in Letters“. „Wohlfühljazz“, so nannte die Band selbst das wunderbare „Under a Blanket of Blue“.

Gegen diese Art Jazz ist nach einem langen Abend überhaupt nichts einzuwenden. Schon gar nicht, wenn sie interpretatorisch so gelungen und handwerklich so gut gemacht ist wie in diesem Fall. Auch hier viel Beifall und eine Zugabe. Jazzbar-Atmosphäre in einer Bank – unglaublich und großartig.

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