Rieselnde Klangwelten aus Island

Susanne Kessels Impressionen im Bonner Schumannhaus

Bonn. Alles eine Frage der Perspektive. Von Bonn aus wähnt man Island weit draußen am Rand Europas. Doch die Isländer selbst sehen sich in der Mitte zwischen dem europäischen und dem amerikanischen Kontinent platziert, eine vorteilhafte Lage, wie Atli Heimir Sveinsson im Schumannhaus erläuterte.

Man blicke in seiner Heimat nach Ost und West "wie aus einer Vogelperspektive". Hierzulande allerdings gerät Island nur selten ins Blickfeld. Die Bonner Pianistin Susanne Kessel, klavierspielende Forscherin in Randzonen des Repertoires, hat die Insel mehrfach besucht, dort Konzerte gegeben und Kontakte zu Komponisten geknüpft.

Die Früchte ihrer musikalischen Entdeckungsreisen präsentierte sie unter dem Titel "Isländisches Konzert" im Schumannhaus. Als kundigen und launigen Moderator hatte sie den Komponisten Sveinsson mitgebracht, den es 1959, als 21-jährigen, erst zu Karlheinz Stockhausen nach Köln, später zu Gottfried Michael König zog.

Betrunkene Bauern seiner Heimat sängen gerne in Quinten, die Folklore liebe unregelmäßige Rhythmen, verriet Sveinsson. Im Zyklus "Rimnadanslög" von Jon Leifs, in dem archaische, düstere Klangwelten und einfache Melodien über Bordunfiguren einander ablösen, ließ sich das sehr anschaulich verfolgen.

Wie eine Mischung aus Brahmsscher Ballade und Chopinscher Polonaise hingegen klang die "Elegie" von Pall Isolfsson, raffinierte Variationskunst legt Victor Urbancic in den "Caprices Mignons" an den Tag. Die darin verwendete Kinderliedmelodie verirrt sich gelegentlich in geradezu skurrile Gefilde.

Mit der "Ode an die Steine" schrieb Atli Heimir Sveinsson eine Musik aus gedehnten Klängen und voller subtiler Spannung. Dass er ein Meister vieler Stile ist, belegte das operettenhaft schmachtende "Af hreinu hjarta" (Aus reinem Herzen) und das Susanne Kessel gewidmete Albumblatt, eine intrikate Toccata, von der Pianistin mit der gebotenen Schärfe und Präzision gespielt.

Dem ebenfalls anwesenden Arni Egilsson dürfte Kessels nuancierte Darstellung seiner "Nordlichter" gefallen haben, nicht minder subtil geriet der Künstlerin die gleichsam rieselnde Klangwelt von Haflidi Hallgrimssons "Lullaby on a Winter's Night", überlegene Virtuosität zeigte sie in den "Meditationen" von Jorunn Vioar. Mit der Ballade "Eg er ad tala um oig" (Ich spreche von Dir) von Johann G. Johannson war auch Island-Pop vertreten.

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