Depot 2 in Köln Robert Borgmann verhebt sich an Andrej Tarkowskijs "Andrej Rubljow"

KÖLN · Wer diesen Film auf die Bühne wuchtet, muss sich stark fühlen, sehr stark. Denn in seinem dreistündigen Monumentalwerk "Andrej Rubljow" (1966/72) schickt die russische Regielegende Andrej Tarkowskij den Titelhelden als Mönch und Ikonenmaler durch ein kriegsversehrtes, pestgeplagtes Russland.

 Ikonenmaler in der Schaffens- und Glaubenskrise: Niklas Kohrt als Titelheld Andrej Rubljow in der Kölner Uraufführung.

Ikonenmaler in der Schaffens- und Glaubenskrise: Niklas Kohrt als Titelheld Andrej Rubljow in der Kölner Uraufführung.

Foto: Sandra Then

Eine Schreckensodyssee, die Rubljow von Kunst und Glauben abfallen lässt. Man sieht biblische Regengüsse auf grauschwarzes Ödland, verwitterte Gesichter in Großaufnahme, bestialische Tatarenangriffe sowie einen Glockenguss als schöpferisches Titanenstück. Ein Drama von heiligem Ernst und spröder Wucht.

Der junge Regisseur Robert Borgmann (hier auch Bühnenbildner) reist demnächst mit "Onkel Wanja" zum Berliner Theatertreffen. Und seine "Rubljow"-Theaterfassung übertrumpft das Vorbild bei der Kölner Uraufführung im Depot 2 immerhin an Länge. Autorin Anja Nioduschewski führt den vierstündigen Abend dabei hart ans Hörbuch: Die Schauspieler sagen das Geschehen meist auf, ohne den Mahlstrom der Ereignisse zu beschwören.

Zudem wird die Zeitfolie des 15. Jahrhunderts hier durch psychoanalytische Abziehbildchen ersetzt. Hinter der Spielfläche, auf die sich effektvoll Wellen, Tiere oder Gesichter projizieren lassen, ist Rubljows Kindheit im Glaskasten eingesargt. Da darf sich die lasziv-elegante Mutter in Unterwäsche auf der Anrichte räkeln, bevor sie den Knirps zur Schule schickt.

Die ehrgeizigste Variante dieser Doppelbelichtung gibt's gleich nach der Pause: Vorn debattiert der erwachsene Held mit Ikonenmeister Theophanes über Gräuel und Glauben, wobei er die im Krieg gefolterten Kinder als Anti-Gottesbeweis sieht. Hinten wird derweil sein jüngeres Ich mit blinkender Dornenkrone ans Kreuz gehängt, wobei die Mama zur Gottesmutter mutiert.

Solch freudianischem Symbolschwulst dient dann wohl auch das riesige weiße Gazelaken, das im Psycho-Glashaus derart aufgepustet wird, dass es den ganzen Raum "verdrängt". Überhaupt bläht heiße Luft hier manchen Randaspekt auf, während der apokalyptische Kern des Dramas um Kunst, Krieg und Religion zerbröselt. Denn anders als Tarkowskij findet Borgmann keinen bezwingenden Zugriff auf den gewaltigen Stoff.

Eher scheint er sich im Baumarkt des halbstark-hippen Theaters zu bedienen. Hier ein bisschen Kreisch-, Zuck- und Wälzästhetik, dort lyrische Illusionsmalerei im kriechenden Bodennebel. Niklas Kohrt müht sich redlich, die inneren Krisen des Titelhelden zu spiegeln, wirkt aber anfangs allzu einfältig-heiter, während ihm die spätere Verzweiflung eher pauschal gerät. Simon Eckert gibt Andrejs ausgebootetem Malerkonkurrenten Kyrill derweil glaubhaften Zorn, und Julischka Eichel spielt die stumme Irre eindringlicher als die Mutter des Helden.

Die meisten Rollenwechsel absolviert Ursula Doll, wobei der größte Kraftakt im Finale wartet: Da verkörpert sie atemlos nicht nur den jungen Glockengießer Boriska bei seinem Geniestreich, sondern auch all seine zweifelnden Arbeiter und Auftraggeber. Mimisches Multitasking, gewiss, aber gegenüber der schier überwältigenden Filmpassage eher ein Kabinettstückchen.

Info

Nächste Termine: 11. April, 20 Uhr; 17. Mai, 19 Uhr; 18. Mai, 15 Uhr; 22. Mai, 20 Uhr. Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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