Robert Menasse liest im Haus der Geschichte aus neuem Roman

"Don Juan de la Mancha": Liebe verzeiht auch Wollsocken

Bonn. "Mache einer Frau am ersten Morgen nie das Frühstück, sonst machst du es das ganze Leben lang." Wer mit solch chauvinistischen Weisheiten aufwächst, muss wohl früher oder später an seinem Liebeskonzept zu zweifeln beginnen. Wer zusätzlich auch noch die gesamte Gesellschaft und die Liebe vom Bett aus befreien soll, der verliert verständlicherweise irgendwann die Lust an der Lust.

Robert Menasse hat mit seinem "Don Juan de la Mancha" dieses Dilemma seiner Generation nachgezeichnet. Die Fassade des Verführungskünstlers Nathan blättert seit längerem, die Liebe ist nicht mehr das, was sie sein sollte, war es vielleicht nie. Eine Midlife-Crisis ist der Anlass, die Sozialisierung seiner Liebe zu hinterfragen, die zwischen Antiautoritarismus und altbackenen Romantikidealen entstanden ist.

Und hier beginnt eine schräg-schöne Geschichte vom Erwachsenwerden, wie sie vielleicht nicht zum ersten Mal geschrieben wurde, die aber dennoch in ihrer Tragik einmalig herrlich zu lesen ist. Deshalb ist es ein Liebesroman geworden, nämlich einer über die Veränderungen der Liebe im Laufe eines Lebens.

Die Chronologie der Sehnsucht reicht von der ödipalen Mutterliebe - einer grenzenlosen Anbetung der ersten weiblichen Bezugsperson, die selbst in Wollsocken noch hinreißend ist - über die ersten zur Katastrophe verdammten Erfahrungen mit dem "anderen Geschlecht" bis hin zur glücklichen zweiten Ehe, die dennoch immer mit einer leichten Unzufriedenheit einhergeht. Drum heißt der Untertitel auch "die Erziehung der Lust", denn der Erzähler zeigt glaubhaft, wie sehr unsere Gefühle mediatisiert sind.

Und obwohl er eine Pubertät in den 60ern beschreibt, kann den Hindernissen der Adoleszenz wohl auch ein Vertreter der Generation Y folgen. Don Quijote und Don Juan, ein bisschen von beiden steckt im Protagonisten und wohl auch in jedem von uns, denn der Mensch sei immer zugleich Glückssuchender - wie Don Juan - und Scheiternder - wie der gegen die Windmühlen kämpfende Quijote. Und dazu zählt auch die krampfhafte Sexualideologie der 68er: "Was immer befreit wurde, die Liebe war es nicht."

Dem vom Haus der Sprache und Literatur eingeladenen Menasse gelingt eine wunderbar ironisierende Analyse jenes harten Kampfes des Erwachsenwerdens, der Österreicher schreibt zugespitzt, humorvoll, ohne ein überflüssiges Wort. Zum Vergnügen trägt im Haus der Geschichte auch Menasses angenehme Lesestimme bei, der Wiener Akzent, die Fähigkeit zu gut dosierten Pausen. Übrigens wird in dem Roman auch die Frage geklärt, wer mehr Lust empfinden kann - der Mann oder die Frau. Für eine äußerst genüssliche Antwort sollte man das Buch allerdings lieber selber lesen.

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