Roland Schimmelpfennigs "Ende und Anfang" im Ballsaal in Endenich

Kölner A.Tonal.-Ensemble zeigt Geschichten vom Scheitern

Bonn. Ein Löwe mutiert zum Menschen und verliert dabei den Mut. Eine junge Frau (hervorragend: Andrea Höhler) im alten Brautkleid balanciert auf Schlittschuhen über die weiße Spielfläche und probiert Ballerina-Posen. Später wird sie sich ihr Grab schaufeln.

Das schlaksige Mädchen (Fiona Metscher) tut sich mit dem alten Professor (Johann Krummenacher) zusammen, der versehentlich "Befriedigung" statt "befriedigend" auf ihren Schein geschrieben hatte.

Eine Frau (Christine Stienemeier) verliert ihre Schlüssel und schläft in einer Ackerfurche. In einer Küche stapeln sich Reste einer Party, die vielleicht schon Jahre vorbei ist. Der Schauspieler Frankie (Daniel Mutlu) ist bei einem Flugzeugabsturz verbrannt und begleitet seinen ehemaligen Freund Peter (Andreas Spaniol) wie ein Schatten.

Frankie ist tot und deshalb Realist: "Es geht mir so gut, seitdem ich weiß, dass ich nicht besonders viel kann, und dass es trotzdem reicht." Es sind lauter kleine Geschichten vom Scheitern, die der bekannte Autor Roland Schimmelpfennig in seinem nach alter Tradition als "dramatisches Gedicht" bezeichneten Stück "Ende und Anfang" ineinander verschachtelt.

Die Uraufführung am Wiener Akademietheater 2006 fand bei der Kritik wenig Gnade. Die deutsche Erstaufführung hat das renommierte Kölner freie A.Tonal.Theater gewagt und das Ergebnis am Wochenende beim Bonner Produktionspartner, dem Theater im Ballsaal, präsentiert.

Regisseur Jörg Fürst verzichtet auf allen illustrativen Realismus, evoziert die Bilder aus der Sprache heraus und spielt raffiniert mit der Bühnensituation. Text und Aktion werden ständig gegeneinander verschoben. Alphatiere werden Omegatypen, und die Beginnlosigkeit ist Prinzip in dieser präzis inszenierten narrativen Endlosschleife.

Wer gerade nicht auf den Brettern steht, hockt irgendwo im Raum und schaut zu. Wie das imaginäre Habichtpaar, dessen senkrechte Raubvogel-Perspektive auf einem kleinen Bildschirm zu erkennen ist.

Den Traum vom Fliegen haben all die Figuren (Ex-Säufer, Exil-Russen, Noch-Akademiker, Hartz-IV-Empfänger etc.) noch nicht ganz aufgegeben, die in diesem merkwürdigen Versuchslabor gelandet sind und im wirklichen Leben längst nirgendwo mehr dazugehören.

Auf der Leinwand im Hintergrund werden Daten eingespielt, während der Musiker Markus Berger am Keyboard live die suggestive Tonspur zum absurden Affentheater liefert - zwei maskierte Affen gehören natürlich auch zum Inventar des manipulierten Menschenzoos.

Eine Maus wird mit einem Glühwürmchen-Gen zum Leuchten gebracht und flugs von der Katze gefressen, die dann möglicherweise auch nicht mehr nachts bloß grau ist und in der Nahrungskette nach vorn rückt.

"Du musst nur die Laufrichtung ändern", heißt es bei Kafka. Dass das wenig nützt, zeigt das spielerisch überzeugende A.Tonal.-Ensemble in 80 spannenden Minuten mit dem heiteren Ernst der Hoffnungslosigkeit.

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