Beethovenhalle in Bonn Rund 300 deutsche und venezolanische Jugendliche probten für gemeinsamen Auftritt

BONN · Noch haben sie vorher zusammen musiziert, doch es klingt schon ziemlich gut: Rund 300 Kinder und Jugendliche aus fünf Schulorchestern aus Bonn und der Region und das Youth Orchestra of Caracas aus Venezuela übten Dienstagnachmittag in der Beethovenhalle den 3. und 4. Satz der 5. Sinfonie Beethovens.

 Mit zwölf Jahren ist Kilian Homburg einer der jüngsten Musiker beim Konzert gestern Abend in der Beethovenhalle.

Mit zwölf Jahren ist Kilian Homburg einer der jüngsten Musiker beim Konzert gestern Abend in der Beethovenhalle.

Foto: Barbara Frommann

Immer wieder wiederholen sie die eine oder andere Stelle, bis Dirigent Andrés Rivas (22) zufrieden ist. "Der letzte Akkord kann ein bisschen tragender sein", ruft er ihnen auf Spanisch zu. Eine Dolmetscherin übersetzt. "Langsamer, langsamer", mahnt sie.

Doch die Zeit drängt. In zwei Stunden haben sie ihren großen Auftritt beim Workshop-Konzert anlässlich des Beethovenfestes (siehe Konzertkritik). Und da muss jede Note sitzen. Das ist nicht einfach. Vor allem, wenn so viele Experten zusehen. Darunter Festspielintendantin Ilona Schmiel. Und José Antonio Abreu, der Gründer des größten musikalischen Sozialprojektes in Venezuela, des "El Sistema".

Der 73-jährige Musiker und Politiker hat sich zum Ziel gesetzt, Musik zur seelischen und sozialen Stabilisierung von Kindern vor allem aus dem Armutsvierteln einzusetzen. Seit 1975 können sie an staatlich geförderten Musikschulen kostenlos Musikunterricht nehmen.

Rada Rodriguez war eines dieser Kinder. Mit 13 lernte er Trompete. Jetzt ist der 24-jährige Student mit dem Youth Orchestra of Caracas auf Europa-Tournee. Vor Bonn waren sie unter anderem schon in Wien und Genf. "Aber Bonn gefällt mir am besten", sagt der junge Mann.

Denn in der Bundesstadt er hat sich endlich seinen Lebenstraum erfüllen können: Rada hat am Morgen das Beethovenhaus besucht. Das Geburtshaus seines Lieblingskomponisten. "Das war großartig", schwärmt er.

"Die spielen einfach viel fröhlicher als wir", sagt Anne Reinders nach der Probe über ihre venezolanischen Musikerkollegen. Die 15-Jährige spielt im Orchester des Tannenbusch-Gymnasiums und hat sich fast ein halbes Jahr auf diesen Tag vorbereitet. Erst seit zwei Jahren lernt sie Fagott. Bei der Zugabe muss sie hin und wieder passen. Denn den Radetzky-Marsch hat sie noch nie zuvor gespielt.

"Gebt eure Partituren an die deutschen Musiker ab, die Zugaben könnt ihr ja alle auswendig", fordert Rivas seine Truppe auf. Die kommt dem gerne nach und zeigt spätestens bei der zweiten Zugabe, einem Mambo, wie viel musikalisches Talent in ihr steckt. Einige der jungen Südamerikaner legen während ihres Spiels sogar ein Tänzchen hin.

Die Deutschen kommen da kaum mehr mit, sie nehmen es aber mit Humor und klatschen einfach im Takt mit. Musik verbindet. Kilian Homburg (12) kommt aus dem Staunen nicht heraus. Der Schüler des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums spielt seit einigen Jahren Cello. Von dem Gastorchester aus Venezuela ist er schwer beeindruckt: "Die spielen viel genauer als wir."

Doch jetzt haben alle erst einmal Pause. In den Gängen hinter der Bühne summt es wie in einem Bienenstock. Für das Team um Ilona Schmiel ist es eine logistische Herausforderung, 300 jugendliche Musiker in die verschiedenen Pausenräume zu schicken und sie alle rechtzeitig zum Konzert wieder in den Saal zu lotsen.

"Es ist schon ein wenig unübersichtlich, aber man geht halt dahin, wo man hingeschickt wird", sagt Marilena Wirz (17) vom Gymnasium Nonnenwerth, schnappt sich ihre Querflöte und geht einfach den anderen jungen Musikern hinterher.

Das Konzert
Beethovens fünfte Sinfonie ist ein schwerer Brocken. Selbst wenn man nur den dritten und vierten Satz spielt. Doch wie nach der dreistündigen gemeinsamen Probe der Schüler aus Bonn und der Region mit dem venezolanischen Jugendorchester die Streicher zu einem kernigen Ton fanden, die Blechbläser strahlten und die Holzbläser das Ganze stimmungsvoll ergänzten, war ganz erstaunlich.

Die Venezolaner rissen unter der Leitung des erst 22-jährigen Andrés Rivas ihre jungen Mitspieler förmlich mit. Selbst in dem extrem schweren, rasanten Fugato des dritten Satzes fiel nichts auseinander. Das Publikum klatschte begeistert. Klar, dass auch die einstudierten Zugaben, der Radetzky-Marsch und Leonard Bernsteins "Mambo", gut ankamen. Bernhard Hartmann

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