Depot 1 Rutschpartie am Gefühlskrater

BONN · Stefan Bachmann enttäuscht mit "Das Käthchen von Heilbronn" im Depot 1

 Für Käthchen (Julia Riedler) ist auf Olaf Altmanns Bühne kein Traum-Mann in Sicht.

Für Käthchen (Julia Riedler) ist auf Olaf Altmanns Bühne kein Traum-Mann in Sicht.

Foto: Aurin

Nach Schmach und Pein könnte alles gut werden: Dank hilfreicher Engel, prophetischer Träume und kaiserlicher Seitensprünge ist das bürgerliche Käthchen nun doch zum Hochadelsfräulein befördert. Und wäre somit die ideale Partie für den angehimmelten Grafen Wetter vom Strahl. "Komm", ruft der denn auch, doch das ist in Stefan Bachmanns Inszenierung nicht so einfach.

Der Bräutigam nämlich wartet am oberen Rand der steilen Skateboardrampe, die Bühnenbildner Olaf Altmann ins Depot 1 des Kölner Schauspiels gebaut hat und an der Käthchen nun ein ums andere Mal kläglich abschmiert. Und statt schließlich mit dem Satz "Schütze mich Gott und alle Heiligen!" ergriffen zu Boden zu sinken, stöckelt sie entschlossen von hinnen. Hochzeit und Happy End sind passé, Heinrich von Kleist steht als romantischer Naivling da.

Mit heutigem Blick auf "Das Käthchen von Heilbronn", aufs scheppernde Ritterblech und antiquierte Frauenbild des Stücks, ist eine solche "Erkenntnis" billig zu haben. Sehr viel reizvoller und abendfüllender wäre es indessen, den wider alle Vernunft siegenden Liebeszauber glaubhaft zu machen, der die Standesgrenzen utopisch verbiegt.

Dieser märchenhafte Glutkern des Stücks indessen bleibt hier von Anfang an kalt. Julia Riedlers Titelheldin und Bruno Cathomas' Graf sind in keiner Hinsicht füreinander bestimmt. Schon auf den ersten Blick bleibt unerfindlich, was das ranke Mädchen vom stämmig in die Jahre gekommenen Rittersmann mit der Meat-Loaf-Mähne will. Sie: so kratzbürstig-selbstbewusst, dass ihre Anrede "Mein edler Herr" eher provokant klingt, er: eine seltsame Mischung aus selbstgefälligem Ironiker, inzestverdächtigem Muttersöhnchen und Schlagetot.

Man glaubt diesem Käthchen das hündische Verfolgen ihres Traum-Manns ebenso wenig wie ihm die für Momente behauptete Zärtlichkeit. So gähnt in der Mitte der Inszenierung ein leerer Gefühlskrater. Um den herum schlägt Bachmann aus dem üppigen Bildangebot des Ritterschauspiels szenisches Kapital: gespenstisches Femegericht, Schlachten in Zeitlupe, Feuersbrunst, Wasserfall und Erdrutsch. Vor allem aber immer wieder akrobatische Kletter- und Rutschpartien in der gekrümmten Steilwand. Dabei gewinnen immerhin einige Figuren scharfes Profil: Etwa Birgit Walters nicht nur dank des Paillettenkleids boshaft glitzernde Möchtegernbraut Kunigunde. Oder Käthchens Vater, dem Benjamin Höpp-ner grimmige Verzweiflung gibt.

Und wie Stefko Hanushevsky als braver Knappe Gottschalk ganz allein eine wilde Verfolgungsjagd samt kühner Flussquerung spielt, muss man gesehen haben. Die Tonlage des Abends aber bleibt zwischen Slapstick und Spektakel so diffus wie die Kleiderordnung: Vom Harnisch bis zur Trainingsjacke ist alles dabei.

Und dank dieser "Von-jedem-etwas"-Ästhetik hängt der Klassiker halbstark in der Halfpipe. Einhelliger Premierenbeifall, spärliche Bravi.

Nächste Termine: 22. u. 25. 10., 19.30 Uhr, 26.10., 18 Uhr.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Stunde der Sieger
Abschluss Deutscher Musikwettbewerb in Bonn Die Stunde der Sieger
Zum Thema
Aus dem Ressort