Kölner Museum Ludwig Saul Steinbergs Collage "The Americans" ausgestellt

KÖLN · Stoische Cowboys, langbeinige Ladys auf Stelzen-Stilettos und kompakte Baseball-Fänger - sie alle spielen Hauptrollen auf Saul Steinbergs (1914-1999) gigantischen Wandtableaus "The Americans".

 Ladys auf Stelzen-Stilettos und andere Ansehnlichkeiten: Eine Besucherin betrachtet das rund 74 Meter lange Werk "The Americans" .

Ladys auf Stelzen-Stilettos und andere Ansehnlichkeiten: Eine Besucherin betrachtet das rund 74 Meter lange Werk "The Americans" .

Foto: dpa

Ab Samstag hebt sich im Museum Luwig der Vorhang zu dieser Cinemascope-Reise durchs "Land der unbegrenzten Möglichkeiten", das der Künstler (in Rumänien geboren, in Mailand als Architekt ausgebildet) ab 1942 mit skeptisch-fasziniertem Einwandererblick bestaunte.

Die Geschichte der Kölner Schau beginnt mit einem Überfall. "Ich fahre in zehn Minuten nach Brüssel - wollen Sie mit?" fragte Kasper König vor rund einem Jahr den Kurator Andreas Prinzing. Der nickte und bewunderte dort die zerlegten Bildtafeln von Saul Steinberg. König hatte das insgesamt rund 74 Meter lange Werk 1958 in jungen Jahren auf der Brüsseler Weltausstellung gesehen und wollte die in den Musées Royaux des Beaux-Arts gelagerten Teile aus ihrem Dornröschenschlaf erwecken.

Erste Ausstellungspläne für eine Ladenpassage scheiterten aber. "Darüber bin ich froh", sagte Königs Nachfolger Philipp Kaiser gestern, der die gigantische Collage nun erstmals nach der einzigen Komplettpräsentation vor 55 Jahren in Köln zeigt. Gegenüber dem US-Pavillon, damals größter Rundbau der Welt, ist der Sonderausstellungsraum im Museum Ludwig ein enger Schlauch. Doch die acht Tafeln, zum Teil an die Wand, zum Teil zur beidseitigen Betrachtung in den Raum gestellt, bilden einen Flanierkorridor voller Sensationen. Steinberg hatte seine Zeichnungen von Wolkenkratzer-Schluchten oder Kleinstadtidyllen auf Fotopapier vergrößern lassen und dann erst in Brüssel ausgeschnittene Pappfiguren auf diese Hintergründe geklebt. Der Effekt ist frappierend.

Wie Außerirdische bewegen sich die Menschen etwa durch New York. Oft gleichen ihre Körper klobigen Kästen oder arabeskenhaft gedrechselten Statuen, auf denen kubistisch verzerrte Gesichter sitzen oder schweben. Oder es spuken nur Köpfe herum, die wie hohle Masken wirken. "Was die Menschen, speziell in Amerika, tun, ist sich eine Maske des Glücks herzustellen", notierte Steinberg. Wollten die Russen 1958 in Brüssel lieber Sputnik und andere technische Finessen zeigen, so zimmerten die USA eine Kreativplattform ohne Zensur. Freiheiten, die der gefragte Illustrator (berühmt sein "New Yorker"-Titelbild von 1976) nutzte.

Einförmige Autokolonnen und Motelblocks künden vom Fluch des Unterwegsseins, von Vermassung und Anonymität. Gespräche in der düsteren Cocktailbar wabern in Nonsens-Sprechblasen durch den Raum, und die Gäste im Drugstore sind so einsam wie Hoppers "Nighthawks". In "California, Florida and Texas" findet Steinberg eitle Pelz-Schnepfen, während es die Farmer im Mittelwesten mit seltsamen Schaukelpferden zu tun haben. Wer will, findet Spuren von Klee oder Picasso, aber auch Pop-Art-Vorboten (Claes Oldenburgs "The Street") und Comic-Zitate.

Bei aller filigranen Wucht des Zentralwerks - wahre Schätze warten in flankierenden Kabinetten: Steinbergs Papier-Masken, wunderbare Skizzen vom fanatischen Publikum beim Pferderennen oder seine bestienhaften Autos. Auch auf Fotos tobt sich sein surrealer Witz aus, wenn er etwa öde Dachlandschaften per Zeichenstift in Highways umwidmet. Alles in allem: eine noble Verbeugung vor einem lange übergangenen Genie und ein Fest der unbegrenzten visuellen Möglichkeiten.

Museum Ludwig, ab morgen bis 23. Juni, Di-So, 10-18, jeden ersten Donnerstag im Monat bis 22 Uhr. Heinrich-Böll-Platz in Köln. Katalog: 36 Euro.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Daniel Johannes Mayr dirigiert das Beethoven
Neue Musik zwischen Wohnwagen
Beethoven Orchester im BaseCampNeue Musik zwischen Wohnwagen
Zum Thema
Aus dem Ressort