Scherzhafte Variationen über ein Dirndl

Auswärtsspiel von Regionalkantor Karas, Grenzklänge Nummer zwei, Strauss-Abend und klassische Gitarre auf dem Hardtberg

Bonn. Künstlerisches Asyl fand Markus Karas, seit 1989 Organist am Bonner Münster und seit 1998 Regionalkantor, jetzt - sozusagen ein Haus weiter - in der Bonner Kreuzkirche. Sein angestammtes Instrument, die Klais-Orgel der Basilika, wird derzeit überholt, ein Schicksal, das Stefan Horz, sein Kollege in Bonns evangelischer Hauptkirche, gerade hinter sich hat. Seit dem vergangenen November verfügt deren Ott-Orgel unter anderem über eine Setzanlage, die das Registrieren wesentlich erleichtert.

Diese technische Neuerung mochte für Karas vielleicht auch ein Anreiz sein, mit Karl Höllers Ciacona op. 54 und Jehan-Ariste Alains Trois Danses op. 81 zwei recht diffizile Werke ins Programm seines Passionskonzerts zu nehmen. Wie aufregend und spannend und wie subtil ein Alain realisiert werden kann, zeigte Karas mit einem ausgeprägten Gespür für dramaturgische Zusammenhänge: Joies (Freude), Deuils (Trauer) und Luttes (Kampf) setzte er in einen Kontext von bezwingender Geschlossenheit.

Höller spielt mit alten Formen und klingt mit seinen farborientierten Diskant-Einsprengseln beinahe ein wenig französisch. Zuvor gab es Mendelssohns A-Dur-Sonate op.63, Nr. 3, deren "Aus tiefer Not"-Zitat im Pedal fast verschwand. Mit einem Praeludium Bachs (BMV 548) samt Fuge sowie dem meditativ breiten "An Wasserflüssen Babylon" (BWV 653b) hatte Karas den Abend eröffnet.

"Grenzklänge Nr. II" in der Beueler Brotfabrik, diesmal produziert von fünf Musikern aus vier Ländern. Relativ neu noch ist diese Gruppierung, die der bekannte Kölner Kontrabassist, Arrangeur und Komponist André Nendza um sich versammelt hat; sie besteht aus dem renommierten Düsseldorfer Vibraphonisten Thomas Lorenz, dem aus Chile stammenden, jetzt in Köln lebenden Flötisten und Saxofonisten Sergio Teran, dem aus Holland gebürtigen, seit 1993 in Köln lebenden und arbeitenden Schlagzeuger Christoph Hillmann und dem berühmten indischen Trommel-Virtuosen Ramesh Shotham.

Alle fünf Musiker haben weltweilt schon mit vielen Größen des Jazz zusammengespielt. Das "transkontinentale Klangerlebnis", das angestrebt und durchaus auch erzielt wird, speist sich nicht zuletzt aber aus den verschiedenen Kulturen, die da aufeinandertreffen.

Es war, im Verlauf des Abends mehr und mehr sich steigernd und verlebendigend, von beträchtlichem Reiz und Effekt, wie Vibraphon, Bass und Schlagzeug auf ethnische Elemente reagierten. Besonderes Vergnügen bereiteten dabei sicherlich die fulminanten "Duelle" von Christoph Hillmann auf seinem reich bestückten Schlagzeug und Ramesh Shotam auf den verschiedenen indischen Trommeln.

"Harbni" klingt zunächst einigermaßen rätselhaft, irgendwo zwischen "Harfe" und "Haben" angesiedelt, diverse Lautverschiebungen vorausgesetzt. Nähere Beschäftigung mit dem bayrischen Dialekt jedoch gibt Aufschluss. "Harb" bedeutet soviel wie "böse". Sich "nie böse" zu sein, erhob ein Geselligkeitsverein namens "Harbni" im München des späten 19. Jahrhunderts sogar zum Vereinsziel.

Der achtzehnjährige Richard Strauss, der Mitglied war, schrieb für den Verein ein scherzhaftes Variationenwerk mit dem Titel "Das Dirndl is harb auf mi". Aber das Bodenständige ist doppelbödig: Die volksliedhafte Melodie hat Strauss nur erfunden.

Das Streichtrio erfuhr im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses durch Mitglieder des "Hyperion-Ensembles" eine angemessene Interpretation. Gleiches gilt für ein zweites Jugendwerk von Strauss, das Streichquartett Nr.2 , das ein zeitgenössischer Kritiker zutreffend die "Probe eines entschiedenen Talents" nannte.

Umrahmt wurde der Blick auf den Beginn einer exzeptionellen Komponistenlaufbahn mit Spätwerken. Das melancholisch getönte, klangprächtige "Capriccio"-Streichsextett litt unter gelegentlichen Unstimmigkeiten der ersten Violine. Das feinsinnige Klanggewebe der "Metamorphosen" realisierte das Ensemble durch strukturklares und empfindsames Spiel.

Die Aufführung der Komposition von Rochus und Markus Aust, dem Amadeus Guitar Duo gewidmet, kam beim 61. Meisterkonzert "Klassische Gitarre" im Kulturzentrum Hardtberg wegen einer technischen Schwierigkeit nicht zustande. Die Umstellung des Programms griff allerdings viel tiefer, als es der Anlass erforderte. So versank nach einem ästhetisch wie emotional sehr gewinnenden Anfang der zweite Teil des Abends in einer planlosen Folge von eher zufälligen Gelegenheitsstücken, die bestenfalls wie ein Paradies aus dem Reich der Zugaben wirkte.

Immerhin brachte das Duo Dale Kavanagh und Thomas Kirchhoff mit "Casablanca" von Jaime Zenamon die Lacher auf seine Seite, indem es sie die Geräusche eines Mini-Propellers einbezog, mit dem auch die Saiten der Instrumente traktiert wurden, was sich von Ferne einer maschinell aufbereiteten Mandolinen-Idylle näherte.

Am Beginn stand eine vom Amadeus Guitar Duo besorgte Bearbeitung des Concierto Madrigal von Joaquin Rodrigo. Diese Atmosphäre von Strenge vertiefte sich noch mit der Bearbeitung (Busconi) von Bachs Chaconne aus der Partida (d-Moll). In die Gegenwelt einer italienischen Sommernacht traten sie mit "Variazioni concertanti" von Mauro Giuliani ein. Viel Beifall.

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