Ausstellung Schirin Kretschmann mit "Prima" in der Kunstgaleriebonn

BONN · Es ist dieser herrliche Moment, wenn der erste Blick nach Betreten der Ausstellungsräume im Geiste ein großes Fragezeichen hinterlässt. Ungewohnte Anblicke ist man als Galeriebesucher gewohnt, das wäre nichts Neues.

 Schirin Kretschmann in ihrer Installation "Piano (Hyundai)" in der Kunstgaleriebonn.

Schirin Kretschmann in ihrer Installation "Piano (Hyundai)" in der Kunstgaleriebonn.

Foto: Schoenebeck

Aber die überraschende Erfahrung, selbst Teil einer - zunächst noch unerklärten - Installation zu sein, löst die Art von Neugier aus, die man körperlich spüren kann. Die Ausstellung "Prima" mit Schirin Kretschmann in der Kunstgaleriebonn beginnt also mit einer Frage.

Warum ist der Parkettboden des Korridors, in dem man steht, mit dunkelgrauer Auslegeware bedeckt, und wohin führen die daraus ausgeschnittenen mysteriösen Spuren? Im großen Galerieraum gibt ein Konzertflügel seine sperrige Antwort. Er steht auf vier Transportrollen, deren Weg durch die Galerie vom Eingang bis zur hinteren Ecke des Raumes im Teppichboden sichtbar gemacht wurde.

Obwohl die Spuren offensichtlich von Menschenhand auf den Boden übertragen und ausgeschnitten wurden, wirkt der Konzertflügel seltsam beseelt. Gerade so, als erzähle er selbst das Erlebnis, auf welche Art er diesen Raum, in dem er nun steht, betreten hat. Schirin Kretschmann, 1980 in Karlsruhe geboren und an der dortigen Kunstakademie von Leni Hoffmann und Axel Heil ausgebildet, arbeitet mit einfachen und alltagsbekannten Materialien.

Die Eindringlichkeit ihrer Installationen rührt unter anderem daher, dass der Besucher sich nicht als Gegenüber zum Kunstwerk, sondern als dessen Bestandteil fühlt. Es hat auch damit zu tun, dass es nicht beim ersten Fragezeichen und seiner durchaus charmanten Auflösung bleibt. Schirin Kretschmanns Arbeiten stellen weitere Fragen, etwa die nach der ursprünglichen Funktion der Villa, in der sich heute die Kunstgaleriebonn befindet. Oder die Frage, ob es den "White Cube", also einen neutralen Ausstellungsort, überhaupt geben kann.

Die Künstlerin würde diese Frage mit Nein beantworten. Eine Art Ersatz hat Schirin Kretschmann im Papier gefunden, das sie auf vielerlei Arten behandelt und beidseitig bearbeitet. Mit Rillmaschinen, Lochwerkzeugen, Falzbeinen, Lineal und Filzstift entstehen verschachtelte Räume und mehrdimensionale Beziehungen, in denen sich eine Frage nach der nächsten stellen lässt.

Kunstgaleriebonn, Lotharstraße 106; bis 21. Februar, Di-Fr 14-18, Do 14-22 Uhr, Sa 11-15 Uhr und nach Vereinbarung.

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