“Zerbombt“ von Sarah Kane im Euro Theater Central Schlimmer als jeder Albtraum

Bonn · Das Euro Theater Central schockiert mit Sarah Kanes „Zerbombt“. Dabei überzeugt das exzellente Ensemble, was das Entsetzen über die Grauen des Krieges nicht erträglicher macht. Und doch ist es wichtiges und richtiges Theater.

 Ein totes Baby, ein sterbender Mann (Tomasso Tessitori) und eine innerlich tote Frau (Celia Abraham) – in  „Zerbombt“ gibt es am Ende nur Opfer.

Ein totes Baby, ein sterbender Mann (Tomasso Tessitori) und eine innerlich tote Frau (Celia Abraham) – in  „Zerbombt“ gibt es am Ende nur Opfer.

Foto: Thomas Kölsch

Um es klar zu sagen: Wer nur ästhetisch ansprechendes, entspanntes, unterhaltsames Theater sehen möchte, muss an dieser Stelle nicht weiterlesen. Denn „Zerbombt“, ein in seiner Radikalität einzigartiges Stück der britischen Dramatikerin Sarah Kane, ist vieles, aber nicht schön. Oder gut, sofern man das Attribut ausschließlich auf die Handlung dieses Kammerspiels anwenden möchte. „Zerbombt“ ist anders. Vulgär. Brutal. Ekelhaft.

Der Mensch in seiner schlimmsten Version

Während andere Autoren gerne mal den Menschen präsentieren, wie er im besten Falle sein könnte, als mitfühlendes und liebevolles Wesen mit stabilen moralischen Werten, zeigt Kane ihn so, wie er im schlimmsten Falle ist, als gewalttätiges Monster mit einer dämonischen Lust an Gewalt und Zerstörung. Dennoch hat das Euro Theater Central dieses Werk auf den Spielplan gesetzt – und zwar mit gutem Grund.

Leichte Kost ist „Zerbombt“ nicht, selbst wenn man sich im Vorfeld über die Handlung informiert hat. Im Mittelpunkt steht der todkranke Journalist Ian, der in einem Hotelzimmer seine ehemalige Geliebte Cate begehrt und sie letztlich vergewaltigt, weil er ihr „Nein“ nicht akzeptieren will. Kurz darauf wird Ian von einem Soldaten überfallen, der ihm alle Grausamkeiten des Krieges schildert, mit Verstümmelung und Folter und Mord und Nekrophilie prahlt und sich dann an seinem neuesten Opfer vergeht, ihm die Augen aussaugt und sich dann das Leben nimmt.

Ohne drastische Überzeichnungen

Ian, der nichts zu verlieren hat und sich dennoch an seine Existenz klammert, bleibt geblendet und geschändet zurück – und schreckt in seinem geschwächten Zustand nicht davor zurück, sogar ein totes Baby zu essen, um ein paar Tage mehr dahinzusiechen. Spätestens an diesem Punkt dürfte allen Zuschauern übel werden. Und doch ergibt all das auf eine perfide Weise Sinn. „Wir müssen uns einfach gewissen gesellschaftlichen Fragen stellen, wenn wir verhindern wollen, dass die Welt so wird, wie das Stück sie zeigt“, erklärt Intendantin Ulrike Fischer. „Diese intensive, unmittelbare Art des Diskurses vermag nur das Theater einzuleiten.“

Dabei halten sich Regisseur Richard Hucke und sein Ensemble noch zurück, verzichten auf allzu drastische Überzeichnungen und Splatter-Effekte und offenbaren gerade dadurch den wahren Horror von „Zerbombt“, der ganz ohne große Inszenierung wirkt. Ein Blick auf die gemeldeten Kriegsverbrechen russischer Militärs in der Ukraine zeigt ohnehin, dass die Fiktion gar nicht so weit von der Wirklichkeit entfernt ist.

Umso erschreckender ist, wie eindringlich Josa Butschkau als namenloser Soldat agiert, der selbst ein Opfer war und nun umso grausamer Rache nimmt, weil ihm nichts anderes bleibt. Auf der anderen Seite spielt Tomasso Tessitori den rassistischen, misogynen Ian zuerst etwas steif, verleiht seiner Rolle aber im Verlauf der 75-minütigen Handlung immer mehr Kontur und schafft so am Ende eine Figur, die sich immer wieder als eiskalter Killer geriert und in den entscheidenden Momenten doch nur ein armes Würstchen ist. Dazwischen steht Celia Abraham in ihrer Rolle als zuerst überaus verletzliche und später abgestumpfte Frau, eine Dynamik, die die 28-Jährige bravourös ausgestaltet.

Achtung: Stroboskoplicht

Die exzellente Ensemble-Leistung macht „Zerbombt“ zwar nicht erträglicher, aber doch sehenswerter. Gewarnt werden muss allerdings vor dem mehrfachen Einsatz von Stroboskoplicht. Außerdem ist das Stück aufgrund der Brutalität der Handlung erst ab 18 Jahren freigegeben.

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