Helmut Schmidts Kanzlerzimmer Schreibtisch mit Pfeife

Bonn · Helmut Schmidts restauriertes Bonner Kanzlerzimmer kann ab sofort besichtigt werden. „Es könnte genau so gut eine rheinische Sparkasse darin residieren“, sagte der Kanzler damals, als er es vor vier Jahrzehnten bezog.

Im Mittelpunkt steht ein Schreibtisch. Schwere Eiche. Darauf ein Aschenbecher, eine Pfeife, Zigaretten, eine Dose Schnupftabak – eben all das, was Helmut Schmidt während und auch nach seiner Amtszeit als Bundeskanzler zwingend gebraucht hat. Das Haus der Geschichte und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), das inzwischen im ehemaligen Bundeskanzleramt in Bonn residiert, haben nun gemeinsam das alte Dienstzimmer des großen SPD-Politikers wieder herrichten lassen und wollen es ab Januar auch der Öffentlichkeit zugänglich machen. Bei der offiziellen Eröffnung am Freitag konnten Pressevertreter und geladene Gäste allerdings schon einmal einen ersten Blick in jenen geschichtsträchtigen Raum werfen.

40 Jahre ist es jetzt her, dass Schmidt seinen Dienstsitz aus dem Palais Schaumburg in den damaligen Neubau verlegte. „Es könnte genau so gut eine rheinische Sparkasse darin residieren“, sagte er damals in seiner gewohnt unverblümten Art. Dennoch arrangierte er sich mit dem Gebäude, das zum Schauplatz bedeutsamer politischer Entscheidungen wurde: Hier führte Schmidt die Krisensitzungen während des „Deutschen Herbsts“ 1977 durch, hier organisierte später Helmut Kohl die Wiedervereinigung. Wegmarken deutscher Kanzlerschaften. Fotos zeugen heute noch von den Treffen mit Staats- und Regierungschefs wie Michail Gorbatschow, François Mitterrand, Margaret Thatcher, Ronald Reagan oder Nelson Mandela.

Doch Schmidts Schreibtisch ist mehr als das. „Ich bin mir sicher, dass jeder Besucher an dem Tisch, auf dem jetzt wieder Helmuts Aschenbecher und Zigaretten ruhen, seine Präsenz spüren wird“, meinte der ehemalige französische Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing und enge Freund Schmidts in einer Videobotschaft und führte damit einen Gedanken von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) fort. „Diese Geschichte muss hier begreifbar gemacht werden“, begründete dieser sein Engagement, das Kanzlerzimmer wieder in altem Glanze erstrahlen zu lassen. „Es ist wichtig, aus der Geschichte für die Zukunft zu lernen“, sagte er. „Wir bauen schließlich auf den Leistungen unserer Vorgänger auf.“ Diese meldeten sich während der Feierstunde denn auch zu Wort; neben Giscard d'Estaing hatte auch der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger ein Video geschickt, während der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, der einstige Bundeskanzleramtschef und Innenminister Rudolf Seiters sowie der Präsident der Stiftung Haus der Geschichte, Hans Walter Hütter, ihre Freude über die Wiederherstellung des historischen Orts direkt zum Ausdruck brachten.

Schon länger hatte Müller den Plan, das Kanzlerzimmer wieder aufzuwerten. Er kontaktierte Gerhard Schröder, der nur ein Jahr in Bonn residierte, Helmut Kohl und Helmut Schmidt. Kohl kam denn auch tatsächlich 2014 wieder zu seinem alten Dienstsitz, erstmals seit 16 Jahren. Und Schmidt? Empfing Müller in Hamburg, paffte mit ihm – und überließ ihm schließlich alle alten Büromöbel, die er damals gemäß der Tradition mitgenommen hatte, den Schreibtisch, den Sessel, ein Radio, sogar ein Flaschenschiff und eben den Tabak. „Sie können es förmlich riechen – wie wenn er noch da wäre!“, sagte Müller dazu.

Alles wartet nur noch auf die Besucher – und auf das Sicherheitskonzept, das für diese erstellt werden muss. „Erst wenn dieses geklärt ist, können wir Führungen durch den alten Kabinettssaal ein Stockwerk tiefer und eben das Kanzlerzimmer anbieten“, erklärte Peter Hoffmann vom Bonner Haus der Geschichte. „Immerhin ist das Gebäude gleichzeitig erster Dienstsitz des BMZ. Allerdings können sich Interessenten bereits ab Oktober bei uns anmelden.“ Ob später kombinierte Führungen von Kanzlerbungalow und Kanzleramt möglich sein werden, ließ Hoffmann noch offen. Allerdings dürfte dies im Sinne Müllers sein, der in den kommenden Jahren auch die Arbeit von Kohl und Schröder angemessen darstellen will.

Anmeldungen für kostenlose Gruppen-Besichtigungen ab Oktober unter 0228/91 65 400 oder per Mail an besucherdienst-bonn@hdg.de.

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